personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
04_2015
Jetzt also auch noch Latein – in diesem
Fach prangt eine weitere Vier auf Manuels
Halbjahreszeugnis. Damit hat der Zehnt-
klässler nun auch im vierten Fach klaren
Nachholbedarf. Seit anderthalb Jahren or-
ganisieren seine Eltern für ihr Sorgenkind
Fördern oder trennen? Wann
Personalentwicklung lohnt
LOW PERFORMER.
In vielen Teams gibt es einen oder mehrere leistungsschwache
Mitarbeiter. Führungskräfte und Personalentwickler stecken oft viel Zeit und Geld in die
Förderung dieser Sorgenkinder – auch, wenn sich kein langfristiger Erfolg abzeichnet.
Wie lange lohnt sich Personalentwicklung, und wann ist es sinnvoller, über Alternativen
nachzudenken? Unsere Autoren beantworten diese Frage anhand eines realen Falls.
Handlungsanregungen.
Mitarbeiterleistung und -potenzial
sollten nicht erst dann ein Thema sein, wenn sich Prob-
leme abzeichnen. Was Vorgesetzte tun können, um vorzu-
beugen beziehungsweise rechtzeitig gegenzusteuern.
Tipp 1: Mitarbeiter-Potenzial vorab einschätzen
Um den Mitarbeiter gar nicht erst in eine unangenehme
Überforderungssituation zu bringen, sollte bei Beförde-
rungsentscheidungen nicht nur die Leistung auf der aktu-
ellen Position berücksichtigt werden. Unternehmen mit
einer guten Personalpolitik schätzen auch das erwartete
Potenzial für die nächsthöhere Stelle ein und berücksichti-
gen dies bei der Personalentscheidung.
Tipp 2: Anforderungen frühzeitig transparent machen
Bei allen Maßnahmen gilt es, Transparenz zum Mitarbei-
ter herzustellen. Wenn Potenzial- und Entwicklungsanfor-
derungen frühzeitig und klar kommuniziert, verbindliche
Vereinbarungen getroffen und nachgehalten sowie Konse-
quenzen aufgezeigt werden, dann kommen diese nicht als
Überraschung und können im Idealfall im Einvernehmen
mit dem Mitarbeiter getroffen werden.
Tipp 3: Entwicklungs-Verantwortung teilen
Wenn sich die Entwicklung trotz aller Mühen schwierig
gestaltet, sollten Führungskräfte sich klar machen, dass
die Verantwortung dafür nicht nur bei ihnen, sondern auch
beim Mitarbeiter liegt. Dieser Verantwortung müssen beide
gerecht werden, bevor Alternativen betrachtet werden.
Tipps: rechtzeitig gegensteuern
Aber dann bringt die schlechte Lateinnote
die Eltern ins Grübeln.
Ist Manuel dauerhaft überfordert oder
wird es ihm mit Unterstützung gelingen,
den Schalter umzulegen? Sollen die Eltern
ihm weiter die Nachhilfe finanzieren und
so die Chance auf den höchstmöglichen
Schulabschluss erhalten? Oder ist es Zeit
über Alternativen nachzudenken?
Viele Eltern kennen solche Überlegun-
gen aus der Kindererziehung. Doch auch
Führungskräfte stehen in der Mitarbeiter-
führung vor ganz ähnlichen Herausforde-
rungen: Sei es, weil sie ein neues Team
übernommen haben, in dem ein Mitar-
beiter seinen Aufgaben nicht gewachsen
ist; weil eine eigene Personalentschei-
dung sich als unglücklich entpuppt hat
oder weil Aufgabengebiete neu zuge-
schnitten wurden und einem Mitarbeiter
nicht mehr liegen. Immer stellt sich die
Frage: Wie kann man mit Mitarbeitern
umgehen, die strukturell ihre Aufgaben
nicht ausreichend erfüllen und auch nur
geringe Entwicklungsfortschritte zeigen?
Wie lange sollte man versuchen, einen
Mitarbeiter durch Entwicklungsmaßnah-
men zu befähigen? Und wann ist es ange-
zeigt, Alternativen, zum Beispiel eine Ver-
setzung, Rückstufung oder Kündigung, in
Betracht zu ziehen?
Zugegeben, der Vergleich zwischen Füh-
rungskräften und Manuels Eltern hinkt.
Denn die persönliche Bindung zwischen
Eltern und Kindern ist im Allgemeinen
bedeutend stärker. Auch besteht zwi-
schen beiden Parteien kein formeller
Kontrakt und Eltern können – und wollen
– kaum ihr Kind durch ein anderes „erset-
zen“. Entscheidungspsychologen bezeich-
schon Nachhilfe in den Fächern Mathe-
matik, Biologie und Englisch sowie eine
allgemeine Hausaufgabenhilfe. Manuels
Noten verbessern sich dadurch leicht; mit
größter Not hat er die Versetzung in die
zehnte Klasse des Gymnasiums geschafft.