04_2015
wirtschaft + weiterbildung
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Lösung: Die Top-Manager entscheiden
über die Implementierung des Vorschlags.
Das heißt, die Entscheidung über „Acce-
lerate or Kill“ wird nicht mehr auf der
Arbeitsebene getroffen – die Organisation
wird entmündigt.
In vielen Organisationen ist zu beob-
achten, dass der strukturelle Ansatz zu
Ambidextrie wieder aufgegeben wird. In
der Regel nicht vor großer Öffentlichkeit,
sondern durch dezente Nachrichten zur
Umstrukturierung: „Person X hat das
Unternehmen verlassen, im Rahmen der
damit zusammenhängenden Restruktu-
rierung wird das Explorationsteam jetzt
innerhalb der Forschungs- und Entwick-
lungsstruktur berichten...“. Wenn etwas
Derartiges passiert, hat die Organisation
in der Regel zwei bis drei Jahre verloren,
um sich ambidexter aufzustellen.
Die langwierige Variante
Aus dem oben genannten Szenario er-
gibt sich, dass der strukturelle Ansatz
wesentliche Herausforderungen enthält.
Somit müsste dann doch alles für den
kontextuellen Ansatz sprechen. Doch die
kontextuelle Ambidextrie ist durchaus die
weitaus schwierigere und langwierigere
Variante. Denn der kontextuelle Ansatz
hat mit einer funktionierenden Zusam-
menarbeit von drei Verantwortungsberei-
chen im Unternehmen zu tun. Getrieben
wird sie vom Top-Management, doch den
Schlüssel zum Erfolg halten die Funkti-
onsbereiche Strategie-, Personal- und Or-
ganisationsentwicklung.
Das obenstehende Schaubild zeigt, dass
neue wertschöpfende Business-Initiativen
aus dem Zusammenspiel dieser drei Ver-
antwortungsbereiche entstehen können.
Dabei können prinzipiell alle drei Verant-
wortungsbereiche den Anfangsimpuls
zur Veränderung in Richtung Ambidext-
rie geben. In der Umsetzung sind sie aber
immer auf die Zusammenarbeit mit den
anderen Bereichen angewiesen. So kann
die Personalentwicklung einen ersten
Veränderungsimpuls setzen, indem sie
Senior-Executive-Programme durch ein
Action-Learning-Projekte ergänzt. Dabei
kann das Action-Learning-Projekt eine
konkrete Business-Development-Initi-
ative darstellen, die bewusst als Explo-
ration aufgesetzt wird. Die PE-Experten
sollten sich dabei der Unterstützung der
OE-Experten vergewissern, damit sie
deren wichtige Erfahrungen zur Umset-
zung von Veränderungsinitiativen nutzen
können.
Wenn die Strategieentwickler den ent-
scheidenden Impuls geben wollen, brau-
chen sie ebenso den Schulterschluss mit
PE und OE. Denn die Personalentwickler
haben den Zugang zur Leadership-Ent-
wicklung und können ihre Programme
nutzen, um dem Thema eine Bühne zu
geben. Die OE-Experten haben die Kom-
petenz, konkrete Explorationsteams wäh-
rend der Explorationsphase kompetent
als Ratgeber zu unterstützen.
Wenn die Initiative wiederum von OE
ausgeht, laufen meist eine Reihe von
konkreten Einzelprojekten an. Hier stellt
sich dannn schnell die Frage der Skalier-
barkeit: Wie können die Erkenntnisse
aus individuellen Explorationsprojekten
gebündelt werden, damit aus den einzel-
nen Projekten strategisch eine neue Stoß-
richtung wird? Wie können aus neuen
Prozessen robuste, neue organisationale
Fähigkeiten entwickelt werden? Dann ist
wiederum die Strategieentwicklung ge-
fragt, dieses Thema in der strategischen
Planung zu verankern. Andererseits soll-
ten die PE-Plattformen genutzt werden,
um die Erkenntnisse aus diesem Explora-
tionsprojekt zu verbreiten.
Beidhändigkeit ist ein Muss
Aufgrund der einleitend angesprochenen
Entwicklungen zum „Perfect Storm“ ist
das Konzept der organisationalen Ambi-
dextrie meines Erachtens keine Option
– es geht vielmehr nur noch darum, wie
sie implementiert werden kann. Organi-
sationen müssen beidhändig sowohl die
Herausforderungen im Kerngeschäft be-
wältigen als auch parallel mit der anderen
Hand die Zukunftsfähigkeit der Organisa-
tion vorantreiben.
Viele Organisationen lösen die Herausfor-
derung durch eine strukturelle Lösung.
Da fast ebenso viele diesen Ansatz wie-
der aufgeben, scheint jedoch der nach-
haltigere Ansatz eine kontextuelle Am-
bidextrie zu sein. Diese stellt einerseits
große Anforderungen an die einzelnen
Führungskräfte, die erst lernen müssen,
beide Innovationsperspektiven im Auge
zu behalten. Andererseits bietet dieser
kontextuelle Ansatz eine sehr große Platt-
form für Experten aus Personal-, Organi-
sations- und Strategieentwicklung, um
gemeinsam ihre Expertise einzusetzen.
Nun ist es allerdings nicht immer so, dass
PE-, OE- und Strategieexperten die besten
Erfahrungen miteinander gemacht haben.
Eine Grundvoraussetzung, damit kontex-
tuelle Ambidextrie funktionieren kann, ist
aber gerade diese Zusammenarbeit und
die Bündelung der jeweiligen Kompeten-
zen.
Dr. Jens Maier
Personal
entwicklung
(PE)
Strategisches
Potenzial
Strategie
entwicklung
Emotionales
Potenzial
Organisations-
entwicklung
(OE)
Konkrete
Entwicklungs
initiativen
Verbindung von Personal- und
Organisationsentwicklung
Neuer Ansatz
• im Denken
• Wettbewerbs-
fähigkeit
• Wettbewerbs-
vorteile
Gemeinsame
• Agenda
• Mission
• Zusammenhalt
• Selbstbewusst-
sein
• Kundenbedürf-
nisse im Fokus
• Plattformen
schaffen
• Wissensma-
nagement
• Innovations-
prozesse:
(Exploitation/
Exploration)
• Performance:
Standards,
KPIs
• Neue
Geschäfts-
modelle
• Neue Märkte
• Explorations-
projekte
• Dynamik von
Konvergenz
• Globales
Account
Management
Übersicht.
Damit ein Unternehmen ambidextre Fähigkeiten entwi-
ckelt, kann die Personal-, Organisations- oder Strategieentwicklung
Impulse setzen. Sie müssen dann aber zusammenarbeiten.
Quelle: Jens Maier