wirtschaft und weiterbildung 4/2015 - page 25

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wirtschaft + weiterbildung
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den und offensiv darum kämpfen, neue
Märkte pro-aktiv zu entwickeln – auch
unter Inkaufnahme der Kannibalisierung
ihres heutigen Produktportfolios.
Um beim Beispiel Daimler zu bleiben,
heißt dies: Natürlich wird das Unterneh-
men nun nicht aufhören, in seinem Kern-
geschäft zu innovieren. Es wird weiter die
bestehende Fahrzeugflotte optimieren.
Wenn es aber nur auf die traditionelle
Autoindustrie setzt, läuft es Gefahr, den
nächsten Evolutionsschritt zu verpassen.
Daher setzt sich Daimler, wie die ande-
ren Autohersteller auch, mit dem Konzept
des fahrerlosen Autos auseinander.
Beidhändige Organisationen
Daimler müsste also künftig in seine
Beidhändigkeit, seine Ambidextrie (aus
dem Lateinischen für „beide rechts“),
investieren. Organisationale Ambidextrie
bezeichnet die Fähigkeit einer Organisa-
tion, einerseits aktuelle Geschäftsanforde-
rungen effizient zu managen und gleich-
zeitig offen für Veränderung und neue
Anforderungen zu sein.
Dieses Konzept wurde bereits in den
1990er-Jahren im Strategiebereich von
Harvard-Professor Michael Tushman in-
tensiv bearbeitet. Nicht überraschend
kommt die Strategieforschung zum Er-
gebnis, dass ambidextre Organisationen
erfolgreicher sind als solche, die diese
Beidhändigkeit nicht beherrschen.
Ambidextrie ist aber nicht nur ein Strate-
giethema, Julian Birkinshaw von der Lon-
don Business School zusammen mit Se-
bastian Raisch haben das Thema in den
vergangenen Jahren im Zusammenhang
mit dem Thema „Leadership“ betrachtet.
Sie gehen davon aus, dass die beidhän-
dige Führung auch Implikationen für die
individuelle Führung hat.
Organisationale Ambidextrie ist also so-
wohl ein strategisches Thema der Un-
ternehmensführung als auch ein Thema
der individuellen Personalführung. Damit
sind entsprechend die Personalentwick-
lung (PE) und die Organisationsentwick-
lung (OE) gefordert, um organisationale
Ambidextrie voranzutreiben.
Exploitation und Exploration
Wie sieht die beidhändige Arbeit aus? Die
eine Hand ist für die „Exploitation“ ver-
antwortlich: Sie muss das Tagesgeschäft
effizient den Marktbedürfnissen anpas-
sen. Der Begriff „Exploitation“ beschreibt
das bewusste Ausnutzen von Investitio-
nen in der Vergangenheit, beispielsweise
Investitionen in die Produktentwicklung
oder in Patente oder auch in Kundenbe-
ziehungen und funktionierende Prozesse.
„Exploitation“ ist sehr wichtig, um die
kurzfristige Performance zu sichern, zum
Beispiel um Quartalsziele zu erreichen.
Sie ist zudem wichtig, um den „Return
On Invest“ (ROI) sicherzustellen – also
um die in der Vergangenheit getätigten
Investitionen in einen positiven „Cash-
Flow“ zu überführen. Exploitation ist
also für das Überleben der Organisation
absolut notwendig. Die Gefahr bei allei-
nigem Fokus auf „Exploitation“ ist jedoch
die mangelnde Anpassung an externe
Veränderungen. Um es deutlich zu sagen:
Es hilft wenig, der effizienteste Herstel-
ler von Schreibmaschinen zu sein, wenn
kein Kunde das Produkt kaufen will. In
den vergangenen Jahren haben wir live
mit erlebt, wie erfolgreiche Unternehmen
wie Nokia nicht ihre Effizienz verloren
haben, sondern ihre Relevanz, als die
Welle der Smartphones losbrach.
Die andere Hand muss darum gleichzei-
tig „Exploration“ betreiben. Dabei geht es
um Dinge wie die Erneuerung der Wis-
sensbasis. Daimler müsste zum Beispiel
das Wissen um E-Technologien auswei-
ten. Bei „Exploration“ entwickelt man
zudem neue Märkte und es werden neue
Technologien entwickelt. Es geht also
darum zu experimentieren. Das sind zu-
gleich die Herausforderungen bei Explo-
ration: Die endlose Suche; das Entstehen
von „untoten“ Projekten; niemals ist klar,
wann genau der Entscheidungszeitpunkt
für eine Umsetzung gekommen ist.
Zusammenfassend kann man sagen, es
braucht genügend „Exploitation“, um
Foto: Natchapon L. / Shutterstock.com
Innovation.
Organisationale
Ambidextrie beschreibt
die Fähigkeit von Unter-
nehmen, gleichzeitig neue
Märkte zu erschließen und
bestehende Produkte
weiterzuentwickeln.
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