personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
kraft. Wie man es auch dreht und wen-
det: Fehlt die Motivation, dann liegt es
an den Vorgesetzten. Sind Sie mit dieser
Sichtweise einverstanden? Ich nicht.
Klar ist: Die Zeit der Macher ist vorbei.
Früher, insbesondere zu Zeiten der In-
dustrialisierung, gab es einen klaren Deal
zwischen Chefs und Arbeitern. Aus der
Sicht der Chefs: Ich gebe dir Sicherheit,
du himmelst mich an! Aus Sicht der Ar-
beiter: Ich mach mich für dich, großer
Macher, zum Abhängigen, zum Leibeige-
nen – und dafür sorgst du für mich. Ein
fairer Deal, der den Grundstock unse-
res heutigen Wohlstands bildete. Grund
genug für uns, dankbar zu sein, dass es
die Industriekapitäne und ihre Heerscha-
ren von Arbeitsmatrosen gegeben hat.
Wir stehen auf ihren Schultern. Doch
Zeiten ändern sich. Motive auch. Heute
funktioniert dieser Deal nicht mehr, weil
beide Seiten des Geschäfts nicht mehr er-
füllt werden. Weder kann ein Chef noch
verlässlich für seine Mitarbeiter sorgen,
noch machen sich die Mitarbeiter gerne
zum Leibeigenen. Da die Märkte viel
schnelllebiger und komplexer geworden
sind, genügen die wenigen sehenden
Augen und die wenigen denkenden Ge-
hirne nicht mehr. Heute braucht ein Un-
ternehmen Mitdenker, kreative Köpfe,
Könner.
Früher galten die Chefs als unum-
schränkte Herrscher. Heute lästern die
Mitarbeiter über ihre Vorgesetzten. Der
Chef als Motivator? Da lachen ja die Hüh-
ner! Stattdessen wird postuliert, dass Mo-
tivation von innen kommen muss. Erst
schlägt das Pendel zur einen Seite, dann
zur anderen. Was lehrt ein Blick in die
Praxis? Ein Team, das nur aus intrinsisch
Motivierten besteht, ist nicht führbar,
weil sich seine Mitglieder nicht führen
lassen. Es ist unmöglich, ein Team aus
100 solchen Mitarbeitern in eine gemein-
same Richtung zu steuern. Heute geht es
nur um Klarheit.
Wenn Sie als Führungskraft nicht mit
dem Werkzeug Angst regieren wollen,
brauchen Sie motivierte Mitarbeiter. Es
gibt nichts Schlimmeres, nichts Hem-
menderes, nichts Destruktiveres als Mit-
arbeiter, die den Anspruch erheben, die
Führungskraft sei verantwortlich für ihre
Stimmung, ihre Motivation, ihr Lebens-
glück. Solche Mitarbeiter sind Zecken mit
Borreliosegarantie. Blutsauger, die von
der Lebensenergie ihres Wirtes leben.
Sinn erleben statt nur nach
Status streben
Beim Thema Motivation gibt es also
aufseiten von Chefs und Mitarbeitern je
zwei Möglichkeiten des Fehlverhaltens.
In Summe also vier. Bei den Chefs: Die
Feldherren. Das sind jene, die ihre Re-
gentschaft dadurch sichern, dass sie Leib-
eigene um sich scharen. Außerdem: Die
Feedbackbogenglänzer, die ihre alleinige
Aufgabe darin sehen, aufopferungsvoll
dafür zu sorgen, dass es den Mitarbeitern
emotional gut geht. Bei den Mitarbeitern
trifft man auf die Machtgeilen, die sich
über den Chef stellen und ihn zum Dep-
pen machen, und die Opferrollengenie-
ßer, die den Anspruch erheben, ständig
motiviert und gepampert zu werden. In
allen diesen Fällen passiert früher oder
später das Gleiche: Einer brennt aus.
„Heutzutage muss man Mitarbeiter moti-
vieren. Anbrüllen allein hilft nicht mehr“,
dieser Ausspruch eines Geschäftsmannes
trifft den Nagel auf den Kopf. Tatsächlich
hat sich bei der Führung von Mitarbeitern
in den letzten Jahrzehnten viel verändert.
Motivation muss neuerdings „intrinsi-
scher“ sein – also „von innen kommen“.
Nach dieser These ist Motivation durch
einen Vorgesetzten prinzipiell nicht mög-
lich. Das heißt: Früher waren die Füh-
rungskräfte schuld, wenn die Mitarbeiter
nicht motiviert waren – hätten sie sie mal
ordentlich motiviert!
Heute sind die Führungskräfte immer
noch schuld, wenn die Mitarbeiter nicht
motiviert sind – hätten sie sie mal nicht
so demotiviert! Das Pendel ist zur ande-
ren Seite geschwungen, aber die volle
Verantwortung bleibt bei der Führungs-
Motivation durch
Selbstverantwortung
FÜHRUNGS-KNOW-HOW.
Das Thema „Motivation“ wird heiß diskutiert – unter
Mitarbeitern ebenso wie unter Chefs und erst recht im Kreise der Weiterbildungs
experten. Seit Reinhard K. Sprenger können Chefs nicht motivieren, sie sollten einfach
aufhören zu demotivieren. Und was sollen die Mitarbeiter machen? Warum Mitarbeiter
und Chefs gleichermaßen für die Motivation verantwortlich sind, erklärt Boris Grundl.
Boris Grundl
gilt bei Managern
und Medien als
„der Menschen
entwickler“ (Süd
deutsche Zeitung) und Experte für
alle Fragen rund um das Thema „prak
tische Menschenführung“ in kleinen
und großen Organisationen.
Grundl Leadership Akademie
Inhaber: Boris Grundl
Richard Kohler Weg 8
78647 Trossingen
Tel. 07425 3282-62
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