wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 30

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
sind. Denn dann geht just das verloren,
was das „management by objectives“ laut
Drucker auszeichnet: Nämlich, dass den
Mitarbeitern deutlich wird, in welchem
Sinnzusammenhang ihre Tätigkeit steht,
und welche Bedeutung ihr Tun für den
Erfolg des Unternehmens hat. Also ent-
wickeln sie auch nicht das für das Errei-
chen der Ziele nötige Engagement. Und
schon gar nicht können sie in ihrem Ar-
beitsalltag ohne Rücksprache mit ihrem
Vorgesetzten Entscheidungen treffen,
weil ihnen die nötige Orientierung fehlt.
Zuerst eine passende
Vertrauenskultur schaffen
Das haben zahlreiche Unternehmensfüh-
rer zwischenzeitlich erkannt. Eine zent-
rale Ursache hierfür war die strategische
Neuorientierung vieler Unternehmen
infolge des hohen Wettbewerbs- und In-
novationsdrucks, unter dem die meisten
Betriebe heute stehen. In diesem Zusam-
menhang definierten die Top-Manager
auch die Kernkompetenzen und -prozesse
ihrer Organisation neu. Die hiermit ver-
bundenen strategischen Entscheidungen
mussten sie den Mitarbeitern mitteilen;
außerdem mussten sie ihnen vermitteln,
welche Konsequenzen sich hieraus für
ihre (Alltags-)Arbeit ergeben. Hierfür sind
Zielvereinbarungsgespräche ein geeigne-
tes Instrument.
Hinzu kommt: Aufgrund der flacheren
Hierarchien in den Unternehmen haben
die Führungskräfte heute meist größere
Aufgabenfelder und Verantwortungs-
bereiche als in der Vergangenheit. Also
müssen sie ihre Energien und Ressourcen
sowie die ihrer Mitarbeiter stärker bün-
deln. Sonst erreichen sie ihre Ziele nicht.
Vor diesem Hintergrund entdecken viele
Unternehmen das „Management By Ob-
jectives“ neu: Sie nehmen das Führen
mit Zielen zunehmend als Koordinations-
und Kommunikationsinstrument wahr.
Außerdem erkennen sie: „Management
By Objectives“ setzt eine bestimmte Un-
ternehmenskultur voraus. Ein Führen mit
Zielen gelingt nur, wenn im Unternehmen
eine Vertrauenskultur besteht, in der alle
Beteiligten offen miteinander kommuni-
zieren – unter anderem, damit Zielkon-
flikte vermieden beziehungsweise gelöst
werden.
Hieraus resultiert zunächst eine höhere
zeitliche Belastung der Führungskräfte –
schließlich müssen sie mehr Zeit in das
Gespräch mit ihren Mitarbeitern inves-
tieren. Werden die vereinbarten Ziele an-
schließend jedoch von den Mitarbeitern
getragen und kontrollieren sie deren Er-
reichen weitgehend selbst, gewinnen die
Führungskräfte dadurch Freiräume und
Zeit.
Ziele, Maßnahmen und
Aufgaben unterscheiden
Inwieweit dies gelingt, hängt weitgehend
von den Inhalten der Zielvereinbarungs-
gespräche ab. Oft reden Führungskräfte
in den Gesprächen mit ihren Mitarbeitern
mehr über Aufgaben und Maßnahmen als
über Ziele. Eine zentrale Ursache hierfür
ist, dass vielen der Unterschied zwischen
Zielen, Maßnahmen und Aufgaben gar
nicht bewusst ist. Das liegt zum Teil an
Schulungs- und Informationsdefiziten.
Entscheidender ist aber: Die Entschei-
dungs- und Handlungsspielräume der
Mitarbeiter werden in der Regel umso
kleiner, je weiter man in der Unterneh-
menshierarchie nach unten kommt. Des-
halb ist es auf der operativen Ebene (oder
„Shopfloor-Ebene“) oft schwer, mit den
Mitarbeitern qualifizierte Ziele zu verein-
baren.
Die Folge davon ist, dass in den Zielver-
einbarungen häufig nur Aufgaben aufge-
listet werden. Deshalb empfiehlt es sich
im Betriebsalltag zuweilen, zwar mit
allen Mitarbeitern Mitarbeitergespräche
zu führen, Zielvereinbarungsgespräche
aber (abhängig von der Unternehmens-
größe) beispielsweise nur mit den ersten
zwei oder drei Führungsebenen sowie
den Verantwortlichen von Projekten zu
führen.
Ziele abstimmen und
kommunizieren
Die vereinbarten Ziele müssen auch an
die nachgeordnete Hierarchieebene und
die Kollegen in den Unternehmensberei-
chen, mit denen die Beteiligten im Ar-
beitsalltag kooperieren, kommuniziert
werden. Sonst ist kein cross-funktionales
Abstimmen der Ziele möglich. Hieran
mangelt es in vielen Unternehmen. Dabei
ist dieser Prozess extrem wichtig, denn
dabei werden alle Beteiligten sensibler für
die Schnittstellen, an denen die meisten
Konflikte und Effizienzverluste entstehen.
Beim Einführen des „Management By
Objectives“ spielen die Top-Manager eine
Schlüsselrolle. Sie müssen das „Führen
mit Zielen“ promoten. Aber auch nach
der Einführung ist ihre aktive Mitarbeit
gefragt. Denn ohne ein aktives Vorleben
von oben erstarrt das System schnell in
einem reinen Formalismus. Dann wird
das Vereinbaren der Ziele von den Betei-
ligten als Zeitverschwendung erlebt, denn
• die Führungskräfte sehen hierin kein
sinnvolles Instrument der Mitarbeiter-
führung und
• die Mitarbeiter kein Instrument, das
ihnen ein effektives (Zusammen-)Ar-
beiten erleichtert.
Für das neue Führungs-
verständnis werben
Mit diesem Problem kämpfen viele Fir-
men. Immer wieder stellt man fest: Selbst
in Unternehmen, in denen das Top-Ma-
nagement seit Jahren für das „Manage-
ment By Objectives“ wirbt, stehen nicht
alle Führungskräfte voll dahinter, weil sie
ein anderes Führungsverständnis haben.
Dieses Manko kann nur behoben werden,
indem das Top-Management beharrlich
hierfür wirbt, und indem das Unterneh-
men seine Führungskräfte auch nach
folgenden Kriterien auswählt, fördert
und entwickelt: Welche Kandidaten für
qualifizierte Führungspositionen haben
das Führungsverständnis, das wir uns in
unserer Organisation wünschen, und ver-
halten sie sich im Betriebsalltag auch so?
Reiner Voss
R
Reiner Voss
ist Geschäftsfüh-
rer des Trainings-
und Beratungsun-
ternehmens Voss
+ Partner, Hamburg.
Tel. 040 7900767-0
AUTOR
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