wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 20

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
Streit zu schlichten. Jeder denkt im Üb-
rigen genervt an sein Tagesgeschäft, das
er auch noch zu erledigen hat. In zusätz-
lichen Telefonkonferenzen wird schließ-
lich lustlos koordiniert, wer im neuen
Team was bis wann erledigen soll. Seit
einigen Jahren werden in Meetings laut
Dueck auch immer mehr Schulddiskussi-
onen geführt. Das vergiftet die Stimmung
zusätzlich, sodass man selten ohne Sar-
kasmen miteinander redet.
Die „Warteschlangenformel“
zeigt den Kern des Problems
Manager interessieren sich schon lange
nicht mehr dafür, ob ein Team im Flow
arbeitet. Sie wollen nur eine Zielerrei-
chung. Dieses Desinteresse am Arbeits-
klima macht es auch nicht leichter und
letztlich bringt das Projekt nicht etwa ein
smartes, verbessertes Produkt hervor,
sondern nur etwas, das „gerade noch
gut genug ist“ und auf vielen dummen
Teamentscheidungen beruht – wobei
jedes Teammitglied für sich genommen
sehr intelligent sein kann. Nicht umsonst
heißt das gerade erschienene Buch von
Business-Querdenker Gunter Dueck, um
das es hier geht: „Schwarmdumm. So
blöd sind wir nur gemeinsam“.
Jeder Business-Bestseller enthält eine
kleine Geschichte, die später so berühmt
wird, dass sie als Chiffre für das ganze
Buch steht. Erinnern wir uns nur an Da-
niel Golemans Buch „EQ – Emotionale
Intelligenz“ aus dem Jahr 1995. Darin
wird der berühmte Marshmallow-Test be-
schrieben, ein Experiment zu Impulskon-
trolle und Belohnungsaufschub. Vierjäh-
rige Kinder bekamen ein Marshmallow
geschenkt und wurden vor die Wahl ge-
stellt es entweder gleich zu essen oder ein
zweites zu bekommen, wenn sie einige
04.
Vitalitäts Intellligenz –
einen
eigenen Willen haben, Energie
versprühen
05.
Intelligenz für Sinnsuche –
Sinn für den Sinn entwickeln,
Dingen Bedeutung geben
06.
Qualitäts-Intelligenz –
Das
Streben nach Professionalität
zum Leitprinzip erheben
R
Natürlich gibt es Schwarmintelligenz – im
Tierreich und bei den Menschen. Im In-
ternet haben sich schon oft fremde Men-
schen spontan und freiwillig vernetzt und
erstaunliche Problemlösungen erarbeitet.
So schuf die „Weisheit der Masse“ (auch
„kollektive Intelligenz“ genannt) wert-
volle Open-Source-Software oder stürzte
gar Diktatoren.
Das weiß auch Prof. Dr. Gunter Dueck.
Trotzdem hat das Konzept „Schwarmin-
telligenz“ für ihn einen Haken: Es funk-
tioniert nicht in der Welt der Konzerne.
Schwarmintelligenz setzt nämlich ein
Team von Experten voraus, die freiwil-
lig und mit Begeisterung sich ergänzen,
die das große Ganze sehen, den gleichen
Traum träumen und dabei das vorgege-
bene Ziel für sinnvoll und für erreichbar
halten.
Wenn sich dagegen in einem Konzern
zum Beispiel ein abteilungsübergreifend
zusammengesetztes Team trifft, um ein
bestimmtes Produkt zu verbessern, dann
kommen die Teilnehmer laut Dueck
weder freiwillig, noch kommen die Be-
sten des Unternehmens. Verschiedene
Interessenslagen und ein ausgeprägtes
Bereichsdenken lähmen die Zusammen-
arbeit von Anfang an. Überzogene Vorga-
ben („Das verbesserte Produkt muss bei
stagnierendem Markt aber zehn Prozent
mehr Umsatz bringen als das alte“), sor-
gen dafür, dass jeder Mitarbeiter heimlich
Vorbereitungen trifft, beim Scheitern des
Projekts nicht als Schuldiger dazustehen.
Manchmal sind zwischen den Teilneh-
mern noch alte Rechnungen aus früheren
Projekten offen. Und manchmal behin-
dern sinnlose bürokratische Regeln die
Zusammenarbeit. Handfeste Konflikte
werden nicht gelöst, sondern unter den
Teppich gekehrt, weil keiner gelernt hat,
Gunter Dueck,
1951 in Hildes-
heim geboren, war an der
Universität Bielefeld bis 1987
als Professor für Mathematik
tätig. Dann trat er ins Wissen-
schaftliche Zentrum der IBM
ein, baute dort das Data Ware-
housegeschäft auf und legte
das Fundament für das IBM
Cloud Computing. Zuletzt war
er bis zu seiner Pensionierung
in 2011 Chief Technology Offi-
cer der IBM Deutschland.
Foto: Jörn Wolter
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