wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 29

03_2015
wirtschaft + weiterbildung
29
Insbesondere dieses Postulat gewann in
den vergangenen Jahren an Bedeutung,
als sich die Arbeitsstrukturen und -be-
ziehungen in den meisten Betrieben ra-
dikal änderten. So wird heute zum Bei-
spiel zumindest in den Kernbereichen der
meisten Unternehmen die Leistung oft in
bereichs- und hierarchieübergreifender
Teamarbeit erbracht. Außerdem sollen
die Mitarbeiter beim Wahrnehmen ihrer
Aufgaben mehr Eigenverantwortung und
-initiative zeigen. Das setzt voraus, dass
sie die Ziele kennen, die es bei ihrer Ar-
beit zu erreichen gilt, und sich mit ihnen
identifizieren. Denn nur dann zeigen sie
das nötige Engagement.
Nicht zum Formalismus
verkommen lassen
In der Vergangenheit beachteten zahl-
reiche Führungskräfte dieses Postulat
jedoch nicht. Sie erachteten ihr Wissen
um die Ziele vielmehr als eine Art Ge-
heimwissen, mit dem sie sich und ihre
Position legitimierten. Und ließen sie ihre
Mitarbeiter an ihrem Wissen teilhaben,
dann primär, um deren Leistung zu kon-
trollieren. Dadurch verkam das Führen
nach Zielen zu einem Formalismus, weil
ihm das partnerschaftlich-kooperative
Element fehlte.
Dieser Umgang mit dem Thema „Zielver-
einbarung“ ist falsch. Wird das „Führen
mit Zielen“ als Kontrollinstrument miss-
braucht, wäre es sinnvoller, zum alten Be-
fehl-Gehorsam-Prinzip zurückzukehren,
das die tayloristisch, also stark arbeitstei-
lig organisierten Betriebe der Vergangen-
heit prägte: Dort hatte jeder Mitarbeiter
eine Stellenbeschreibung, in der exakt
definiert war, was (nicht) seine Aufgaben
Klassische Fehler bei Zielvereinbarungen
1
Zielvereinbarungssysteme über alle Ebenen.
Ziele sollten nur dort angewendet werden, wo Mitarbeiter
Arbeitsabläufe selbst bestimmen können. Wer allein ope-
rative Aufgaben übernimmt, sollte nicht über Zielvereinba-
rungen, aber über Leistungsvorgaben geführt werden.
2
Unklarheit über die Definition der Ziele
Oft ist unklar, wie man ein Ziel auslegen sollte. Darum
sollte jedes Ziel anhand der folgenden drei Dimensionen
beschrieben werden: Zeit (Bis wann ist was zu erreichen?).
Menge (Wie viel muss erreicht werden in messbaren Ein-
heiten?) und Güte (Wie gut muss das Erreichte sein?).
3
Alleinige Konzentration auf Messbarkeit
Die meisten Ziele sind nur quantitativ messbar. Das macht
sie aber manipulierbar, da dies nichts über die Qualität der
Zielerreichung aussagt. Man muss beides einbeziehen.
4
Teamziele statt Einzelziele
Viele Unternehmen nutzen Teamziele, da dies Zeit spart.
Bei Teamzielen bleibt aber unklar, was beurteilt werden
soll: Der Beitrag des einzelnen Mitarbeiters zum Teamziel
oder der Erfolg des Teams oder beides? Sie eignen sich
daher nicht als individuelle Zielvereinbarung.
5
Kein Zusammenhang zu den Unternehmenszielen
Zielvereinbarungen müssen direkte oder zumindest indi-
rekte positive Wirkung auf die Zielerreichung des Unter-
nehmens haben. Allein ein Bemühen kann nicht belohnt
werden, sondern nur das Schaffen von Mehrwert.
Tipps.
Es gibt einige neuralgische Fehler, an denen Zielvereinbarungssysteme meist kranken.
Berater Friedrich Fratschner zeigt neun davon auf. Man sollte sie von Anfang an mitbedenken.
6
Anspruchsniveau auf Basis des Könnens
Häufig wird das Anspruchsniveau der Ziele auf Basis der
Leistungsfähigkeit des Stelleninhabers und nicht auf Basis
des Anspruchsniveaus der Stelle definiert. Dies führt dazu,
dass die Differenzierung zwischen guten und schlechten
Mitarbeitern minimal wird. Denn honoriert wird dann auf
der Seite des Schlechtleisters das Bemühen und auf der
Seite des Gutleisters die absolute Topleistung.
7
Keine oder geringe Qualitätssicherung
Wenn Zielvereinbarungssysteme erst am Ende der Leis-
tungsperiode eine Qualitätssicherung durchlaufen, ist es
für die Personalabteilung schwierig, den beurteilenden
Führungskräften eine Korrektur an den Zielbewertungen
nahezulegen. Darum sollte HR ein vorläufiges Feedback
drei Monate vor Ende der Leistungsperiode einfordern.
8
Verknüpfung von Personalentwicklung und Zielen
In vielen Systemen werden statt operativen Zielen auch
Personalentwicklungsziele festgelegt. Personalentwicklung
ist sinnvoll und wichtig. Bei operativen Performance-Zielen
machen sie aber keinen Sinn. Schließlich soll nicht das
Besuchen von Seminaren belohnt werden.
9
Rückschluss von Zielerreichung auf Gesamturteil
Eine Zielerreichung beurteilt den Zielzustand am Ende des
Jahres, eine Beurteilung des Mitarbeiters insgesamt. Man
sollte beides konsequent trennen, damit Mitarbeiter bereit
sind, auch anspruchsvolle Ziele zu vereinbaren. Mischsys-
teme (wie im öffentlichen Dienst) sind abzulehnen.
R
1...,19,20,21,22,23,24,25,26,27,28 30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,...68
Powered by FlippingBook