wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 37

03_2015
wirtschaft + weiterbildung
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beitsteam und das eigenständige Lösen
von Problemen.
In der Praxis bedeutet dies, in einem ers-
ten, dreimonatigen Ausbildungsblock
erwerben zum Beispiel die angehenden
Bankkaufleute das erforderliche Basis-
Fachwissen zum Bank- und Bausparwe-
sen. Schon hier schärfen sie den Blick
auf ihre Kompetenzen und üben sie das
selbstgesteuerte Umsetzen erkannter
Lernbedarfe. Während der sich anschlie-
ßenden sechs drei- bis sechsmonatigen
Ausbildungsabschnitte in den Fachab-
teilungen sollen sie sich die für diese
Phase definierten Lerninhalte weitgehend
selbstständig aneignen.
Viel Freiraum innerhalb
klarer Strukturen
Dabei unterstützen sie fünf hauptamtli-
che Ausbilder im Bankinnendienst und
80 Fachbereichsausbilder als „Lernpro-
zessbegleiter“. Deren Rolle und Selbstver-
ständnis haben sich im neuen Konzept
entscheidend verändert: Beobachten und
Feedback geben ersetzen Bewerten und
Benoten. Die Ausbilder sind eher Coach
als Lehrer. Hierfür wurden sie gezielt ge-
schult und trainiert.
Das neue Konzept basiert auf Eigen-
ständigkeit und -verantwortlichkeit der
Auszubildenden. Damit das zum Erfolg
führt, braucht es Leitplanken. So hat
jeder Ausbildungsabschnitt die gleiche
Struktur: In einem Einführungsgespräch
analysieren Ausbilder und Auszubilden-
der gemeinsam den Status Quo und de-
finieren im Rahmen einer Lernvereinba-
rung den konkreten Lern- und Entwick-
lungsbedarf. Formulare helfen, die nötige
Prozessdisziplin zu wahren. Das Lernen
erfolgt mithilfe von Wochenaufgaben, die
fast immer reale Geschäftsprozesse bei
Schwäbisch Hall abbilden und den Azu-
bis helfen, Schritt für Schritt die Fähig-
keiten und Fertigkeiten zu erwerben, die
sie im betreffenden Ausbildungsabschnitt
entwickeln sollen.
Die Lernaufgaben mit Formaten wie
„Gruppenpuzzles“ und „Hausbegehun-
gen“ sind methodisch vielfältig und auf
den Bedarf der „Generation Y“ und „Z“
zugeschnitten. In einem Kompetenzta-
gebuch, das sie während der gesamten
Ausbildung begleitet, notieren die Auszu-
bildenden Erfolge und Misserfolge, Fort-
schritte und Handlungsfelder auf dem
Weg zum Erreichen der Lernziele und
dokumentieren dabei ihren Kompetenz-
zuwachs.
In seiner definierten Rolle steht der Aus-
bilder den jungen Mitarbeitern als An-
sprechpartner sowie Rat- und Impulsge-
ber zur Seite. Dabei bleibt es der Initia-
tive der Auszubildenden überlassen, ihn
bei Bedarf um Unterstützung zu bitten.
Der Ausbilder beobachtet primär den
Prozess und greift nur bei Bedarf mode-
rierend ein. Die Intensität der Lernpro-
zessbegleitung ist daher individuell sehr
unterschiedlich. Zwischengespräche für
Feedback und Reflektion läuten eine neue
Lernvereinbarung für die zweite Hälfte
des Ausbildungsabschnitts ein.
Nach diesem Grundkonzept der Kompe-
tenzentwicklung und -feststellung mit
den zentralen Elementen der Selbstreflek-
tion und -steuerung verläuft die gesamte
Ausbildung. So sollen die Nachwuchs-
kräfte künftig selbst erkennen, wann sie
etwa aufgrund veränderter Kundenanfor-
derungen oder Marktbedingungen neue
Lösungswege gehen müssen. Außerdem
sollen sie sich selbstständig die hierfür er-
forderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse
aneignen.
Erfolgsfaktoren einer
modernen Ausbildung
Aus dem dargestellten Lernprozess erge-
ben sich wesentliche Erfolgsfaktoren für
ein zukunftsweisendes Ausbildungskon-
zept:
1.
kompetenzbasierte Lernprozesse mit
hohem Selbststeuerungsgrad,
2.
eine individuelle Begleitung durch
Feedback, Fördern und Fordern und
3.
neben- und hauptamtliche Ausbilder,
die diese individuelle Begleitung auch
umsetzen können und wollen.
Um auch weiterhin die richtigen Nach-
wuchskräfte für Schwäbisch Hall zu fin-
den und zu binden, ist ein zielgerichtetes
Ausbildungsmarketing wichtig, das eine
frühe Ansprache der Nachwuchskräfte
ermöglicht. Außerdem sollten die Aus-
zubildenden, damit sie Schwäbisch Hall
von Anfang an als ihre berufliche Heimat
empfinden, sich schon während ihrer
Ausbildungszeit als vollwertige Mitarbei-
ter fühlen. Das setzt voraus, dass der Bei-
trag der Ausbildung für die Zukunftsfä-
higkeit des Unternehmens von allen Füh-
rungskräften akzeptiert wird. Außerdem
ist es wichtig, den angehenden Bankkauf-
leuten eine attraktive Perspektive nach
der Ausbildung aufzuzeigen.
Erfahrungen mit dem neuen
Konzept und Fazit
Die Einführung des auf Selbstreflektion
und -steuerung basierenden neuen Ausbil-
dungskonzepts ist aufwendig und braucht
aktive firmeninterne Unterstützer. Die
Ausbilder sind dabei die entscheidenden
Katalysatoren. Ihr Rollentausch vom „Un-
terweiser“ zum „Lernprozessbegleiter“
benötigt Zeit und Training. Die frühzei-
tige Einbindung der Fachbereiche und des
Betriebsrats stellt die nötige Akzeptanz
im Unternehmen sicher. Auch die Kultur
spielt eine Rolle: Fehler müssen erlaubt
sein und als Lernchance gesehen werden.
Für die Generationen Y und Z, die in
einem Umfeld von Internet und mobiler
Kommunikation aufgewachsen sind und
die beim Lernen ganz selbstverständlich
einen abwechslungsreichen und praxis-
nahen Mix an Formaten erwarten, ist
Schwäbisch Hall mit diesem Ausbildungs-
konzept gut aufgestellt. Das ist wichtig.
Denn perspektivisch werden sie die Un-
ternehmenskultur prägen und außer dem
Lernen auch das Arbeiten bei Schwäbisch
Hall verändern.
Stephanie Danhof
Stephanie
Danhof
leitet die Perso-
nal- und Führungs-
kräfteentwicklung
der Bausparkasse Schwäbisch Hall
AG und verantwortete die Einführung
des neuen Ausbildungskonzepts bei
Schwäbisch Hall.
Schwäbisch Hall AG
Crailsheimer Str. 52
74523 Schwäbisch Hall
Tel. 079146 4646
AUTORIN
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