03_2015
wirtschaft + weiterbildung
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„‚Smart‘ ist nur eine wertlose Worthülse“
Sie sind als Berater oft in Unternehmen tätig, deren
Zielvereinbarungssystem nicht läuft. Woran hakt es
denn in der Praxis meistens?
Friedrich Fratschner:
Das grundsätzliche Problem ist in
der Regel, dass die vereinbarten Ziele und die Unterneh-
mensstrategie nicht miteinander verknüpft werden. Ziele
müssen schließlich eine operative Bedeutsamkeit haben.
Ist das nicht der Fall, verkommen sie zu schlichten Betä-
tigungswiesen. Das Problem ist nicht neu. Früher wurden
Ziele zum Beispiel oft mit der „Balanced Scorecard“ ver-
knüpft. Aber das ist zwischenzeitlich in vielen Unterneh-
men verloren gegangen.
Woran liegt das? Wurden die Führungskräfte bei der
Einführung nicht richtig geschult?
Fratschner:
Die klassischen Schulungen gehen oft am
Bedarf vorbei. HR muss die Verantwortung dafür überneh-
men, in der Schulung die Ziele auch wirklich zu operationa-
lisieren, und nicht nur anhand von theoretischen Musterzie-
len zu üben. Außerdem ist es wichtig, dass Führungskräfte
in Schulungen erleben, wie viele Vorteile ein Zielvereinba-
rungssystem bringt. Denn die meisten halten das für einen
bürokratischen Akt. Man muss ihnen zeigen, dass mit dem
Setzen von Zielen eine erhöhte Verlässlichkeit und damit
auch Motivation und Akzeptanz einhergehen. Allerdings
vergessen Unternehmen neben all den Schulungen kom-
plett die Qualitätssicherung. Meines Erachtens hängt der
Erfolg eines Zielvereinbarungssystems darum nicht am
Schulungsprozess, sondern vielmehr am Qualitätssiche-
rungsprozess. Die Ziele werden nicht überprüft.
Wie könnte man das machen?
Fratschner:
Wir empfehlen immer, die Ziele anhand von
drei Dimensionen zu erfassen und sie dann auch an die-
sen Kriterien zu überprüfen: Zeit, Menge und Güte. Zeit
lässt sich in Projekten oder Teilschritten ausdrücken.
Menge steht für das, was messbar ist. Die Güte beschreibt
den final zu erwartenden Soll-Zustand am Ende des Jahres
– und dabei insbesondere die nicht-messbaren Kriterien.
Aber dafür gibt es doch schon die „Smart“-Regel:
Ziele sollen danach spezifisch, messbar, akzeptiert,
realistisch und terminiert sein …
Fratschner:
„Smart“ ist nur eine wertlose Worthülse, die
Interview.
Friedrich Fratschner berät Unternehmen auch dabei, wenn ein Zielvereinbarungs
system nicht richtig läuft. Er weiß darum, woran das Führen mit Zielen in der Unter
nehmenspraxis oft hakt, warum allein Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeiter im
Umgang mit „Smart“-Zielen nicht weiterhelfen.
in jedem Zielehandbuch steht. Die meisten verkürzen
„Smart“ allein darauf, dass Ziele messbar sein müs-
sen, aber nicht beurteilbar. Das ist für mich der größte
Unsinn. Ziele müssen beides sein – auch wenn das den
Führungskräften mehr Mut zur Subjektivität abverlangt.
Zudem kenne ich kein einziges Unternehmen, das die
Ziele anhand der „Smart“-Kriterien prüft. Dese Qualitäts-
sicherung ist aber wie gesagt entscheidend. Deswegen
empfehle ich, Zielvereinbarungen anhand der drei Dimen-
sionen zu vereinfachen und sie dafür auch wirklich daran
zu bewerten.
Heißt das, Sie empfehlen, dass die Personaler alle Ziele
überprüfen sollen?
Fratschner:
Die Personalabteilung kann natürlich nicht alle
Ziele prüfen. Allein aus dem Text der Zielvereinbarung lässt
sich nicht ablesen, ob diese Zielvereinbarungen „gut“ oder
„schlecht“ vereinbart sind. Denn von der Personalabtei-
lung ist im Gespräch ja niemand dabei. HR muss aber
einen Prozess anbieten, der die Qualität bei der Bewertung
absichert. Ich empfehle, Führungskräfte zu zwingen, vor
der finalen Bewertung eine vorläufige Beurteilung abzuge-
ben. In der Beurteilerkonferenz vergleichen sie dann, in
welchem Maße die Ziele erreicht wurden. Dabei müssen
sie ihre jeweiligen Beurteilungen im Kreis der Kollegen ver-
teidigen. Nur so erreichen die Führungskräfte es, dass im
Bonussystem wirklich nur für die Ziele gezahlt wird, für die
es sich auch lohnt.
Interview: Kristina Enderle da Silva
Dr. Friedrich Fratschner
ist geschäftsführender
Partner bei Baumgartner
& Partner.
Foto: Baumgartner & Partner