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wirtschaft + weiterbildung
03_2015
titelthema
Die Angst, von einem Computer ersetzt zu werden
Langsam wird er ungeduldig. Auf der Learntec 2015
inszenierte sich Gunter Dueck nicht mehr wie bei frühe-
ren Gelegenheiten als liebenswerter Kautz, sondern gab
den zornigen, alten Mann, der sich auch für ein publikums-
wirksames Lehrer- und Politiker-Bashing nicht zu schade
war. Er habe genug davon, Fragen zu beantworten, ob das
Internet Fluch oder Segen sei. „Ich bin es langsam leid,
darauf hinzuweisen, dass das Internet schon seit 25 Jah-
ren da ist und dass es kein Fluch ist“, so der pensionierte
IBM-Manager. Da das Internet nicht verschwinden werde,
müsse man jetzt endlich damit anfangen, die Schulbildung
der Kinder und die Weiterbildung der Berufstätigen darauf-
hin auszurichten.
Was ein Computer nie besser können wird
Als Vorbild soll laut Dueck der preußische Gelehrte, Staats-
mann und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt (1767
– 1835) dienen. Der habe erkannt, dass die Bildung der
Bevölkerung zur aufkommenden Industrialisierung passen
müsse. Heute solle die Bildung dazu befähigen, im Com-
puterzeitalter noch einen gut bezahlten Job zu finden. Gute
Arbeitsplätze gebe es in Zukunft aber nur noch für IT-Spe-
zialisten und für Leute, deren Tätigkeiten nicht durch einen
Computer ersetzt werden könnten. Da der Computer schon
Humboldt 2.0.
Prof. Dr. Gunter Dueck durfte die diesjährige Learntec mit einer Keynote zum Thema
„Wie verändern digitale Medien das Lernen?“ eröffnen. Er forderte eine Bildungsreform, die von
ihrer Radikalität her den Humboldtschen Reformen in Preußen gleichkommen müsse.
Wilhelm von Humboldt.
Er passte das Bildungswesen
seiner Zeit (Schulpflicht!) an die Industriealisierung an.
bald ganz alleine zum Beispiel Autos steuern, Strategien
zur Geldanlage ausarbeiten und Röntgenbilder analysieren
könne, müssten sich Taxifahrer, Bankberater, Allgemeinme-
diziner (und alle anderen Berufstätigen) schnellstmöglich
um zusätzliche Kompetenzen kümmern. Was ein Computer
auf absehbare Zeit nicht können wird, sind laut Dueck zum
Beispiel Tätigkeiten wie:
· in vernetzten Projekten arbeiten
· verhandeln
· coachen
· Konflikte lösen
· Zukunftskonzepte erstellen (und dabei die zu erwar-
tenden Widerstände berücksichtigen)
· Empathie für Kunden und ihre Bedürfnisse entwickeln
· Sinn für Erfolg entwickeln
· Menschen verstehen und motivieren
· Storytelling in Überzeugungsprozessen einsetzen
· Dinge gezielt und mit Drive vorantreiben und andere
dabei mitnehmen.
„In der Schule und der Universität werden wir im Grunde
auf die falschen Dinge vorbereitet“, erklärte Dueck. Auf
die Frage aus dem Publikum, was denn aus dem Lehrplan
gestrichen werden solle, wenn jetzt in der Schule auch
noch Kommunikations- und Sozialkompetenzen trainiert
werden müssten, antwortete der Professor trocken: „Das
müssen die Schüler zusätzlich zum Fachwissen lernen!“.
Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, lästerte Dueck:
Die Frage, wie viele „Likes“ man bei Facebook brauche,
um als normaler Mensch zu gelten, sei völlig „peripher“
im Vergleich zu der Frage, welche neuen Bildungsziele jetzt
festzulegen seien,
Nach mehr Professionalität streben
Außerdem erwartete Dueck von Deutschland, dass sich
das Land stärker zu einer Exzellenzgesellschaft entwickle.
Jeder Einzelne müsse mehr denn je nach Professionalität
streben, wenn er eine gut bezahlte Arbeit behalten wolle.
Zum Beispiel müsse der Facharbeiter zum Maschinensu-
pervisor, der Gärtner zum Naturgestalter, der Maler zum
Innendesigner und der Modeverkäufer zum Outfit-Coach
werden. Von der Schule forderte Dueck, sich mehr um
die individuellen Begabungen der Kinder zu kümmern und
außerdem die Präsentation des Unterrichtsstoffs mehr an
der Neugier der Schüler auszurichten.
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