wirtschaft und weiterbildung 3/2015 - page 21

03_2015
wirtschaft + weiterbildung
21
Minuten warten konnten. In einer Längs-
schnittstudie fand man heraus, dass die
Fähigkeit zur Impulskontrolle und damit
auch die emotionale Intelligenz ein Indi-
kator für späteren Berufserfolg ist. Wer
den Nutzen von emotionaler Intelligenz
beschreiben sollte, dachte ab sofort erst
einmal an Marshmallows.
Kennzeichnend für Duecks Buch
„Schwarmdumm“ wird schon bald die
„Warteschlangenformel“ sein. Dahinter
steckt folgende Geschichte: Ein Filiallei-
ter im Lebensmitteleinzelhandel betreut
einen kleinen Laden mit nur einer Kasse.
Er stoppt die Zeit, in der die Kassiererin
mit dem Kassieren beschäftigt ist, und
stellt fest, dass ihre Auslastung bei 85 Pro-
zent liegt. 15 Prozent der Arbeitszeit wird
mit untätigem Warten zugebracht. Zu
dieser Auslastung von 85 Prozent gehört,
dass bei zufälligem Auftauchen der Kun-
den im Durchschnitt etwa fünf Personen
an der Kasse warten. Durch Sonderpos­
ten vor dem Eingang lockt der Filialleiter
nun mehr Kunden in den Laden und die
Auslastung der Kassiererin steigt auf 92
Prozent. Nach der mathematisch herge-
leiteten Warteschlangenformel (Dueck
erklärt die Formel und ihre Bedeutung
ausführlich in seinem Buch) gehört zu
dieser Auslastung unweigerlich, dass jetzt
im Schnitt zehn Personen an der Kasse
warten - mal mehr mal weniger.
Eine Schlange von zehn Personen setzt
die Kassiererin psychologisch mächtig
unter Druck. Sie beeilt sich jetzt deutlich
mehr als bei fünf Wartenden und macht
prompt und geradezu zwangsläufig mehr
Fehler. Sie bedient den Scanner falsch,
lässt Ware vom Band fallen oder vertut
sich beim Wechselgeld. Die Beseitigung
der Fehler hält zusätzlich auf. Außerdem
beschweren sich Kunden („Warum bauen
Sie keine zweite Kasse?“) und die Ange-
stellte muss sich rechtfertigen und verliert
weitere Zeit. Manche Kunden werden
böse, lassen ihre Ware auf dem Band lie-
gen und laufen weg. Die Kassiererin muss
sich dann auch noch um die „herrenlose“
Ware kümmern.
„Alles über 85 Prozent Auslastung führt
ins Chaos“, warnt Dueck. Dies gelte so-
wohl für die Fließbandfertigung, die Not-
aufnahme eines Krankenhauses oder für
ein Call-Center. „Denn wenn die Ausla-
stung über 85 Prozent steigt, dann fällt
zusätzliche Mehrarbeit an. Dadurch steigt
„Schwarmdummheit oder schon Schwarmirrsinn?“
· „Der Bonus der Manager ist heutzutage
so hoch gehängt, dass sie ihn nur mit
gutem Glück ehrlich verdienen können.
In der Regel erreichen sie ihre Ziele nicht
wirklich. Sie müssen tricksen.“
· „Es heißt immerfort: Bringen Sie Ihre
Zahlen und nicht Ihre Ausreden. Aber
das ganze Business wird vom Ausre-
densuchen geradezu beherrscht, … weil
die Ziele utopisch und wirr und nicht zu
packen sind.“
· „Es gibt zwei verschiedene Arten von
Sünden in einem System. Sünden gegen
das System (wie Reisekostenbetrug), die
sehr hart bestraft werden. Und Sünden im
Sinne des Systems, die unausgesprochen
vom System gedeckt werden (wie einem
Kunden etwas Nutzloses zu verkaufen) …
Dadurch höhlt sich das System von selbst
aus. Es wird innen morsch, hohl und fault.
Ist das noch Schwarmdummheit? Oder
schon Schwarmirrsinn?“
· „Der Gärtner, der bei Bayern München
den heiligen Rasen mäht, ist sicher nicht
Zitate.
In seinem Buch „Schwarmdumm: So blöd sind wir nur gemeinsam“ formuliert Gunter Dueck viele
analytisch kraftvolle, aber auch einige ironisch-sakastische Sätze, die das Zeug zum „Zitat des Monats“
haben. Hier eine kleine Auswahl:
einfach Mäher. Er ist Teil des Sieges.
Schwarmdummheit bestellt zum Mähen
des heiligen Rasens wechselnde Billigar-
beiter.“
· „Der Über-Stress lässt das Gute im Men-
schen zerbröseln. Die Arbeit fühlt sich wie
Dauerkampf ohne sichtbaren Feind an ...
Unter Stress entsteht so etwas wie Hass
auf Teams, die mit Flow arbeiten.“
· „Die schriftlichen Anträge der Univer-
sitäten, die zu den Elite-Unis gehören
wollten, sahen nach Presseberichten
verstörend gleich aus. Selbst die schlech-
teste Universität hatte sich schlau
gemacht und herausgefunden wie man
Meister in Sachen „Antragslyrik“ wird. Die
Unis waren nicht Elite, aber sie konnten
sich so darstellen.“
R
Foto: Richard Carey / fotolia.com
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