06_2015
wirtschaft + weiterbildung
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lässt sich von einem bestimmten Punkt
faszinieren und beide entwickeln diesen
weiter. So entsteht ein Prozess, bei dem
Ideen angenommen, fortentwickelt und
weitergereicht werden. Voraussetzung
dieser Interaktion ist der Verzicht auf Ab-
wertungen und gegenseitige freundliche
Annahme. Es entstehen Muster von Ko-
operation.
Da die Gruppenmitglieder energetisch
beteiligt sind, identifizieren sie sich mit
den neu entwickelten Ideen. Die Lösun-
gen werden von allen getragen. Die Grup-
penmitglieder sind kognitiv, geistig und
emotional beteiligt. Eine Organisation auf
den Weg der Lernenden Organisation zu
führen, ist ein komplexer Weg, auf dem
man gut daran tut, die Komplexität zu re-
duzieren. Dies kann auf zwei parallelen
Wegen geschehen:
• Zum einen wird die Vielfalt der Aufga-
ben und Beziehungsstränge innerhalb
einer Organisation in kleine Portionen
unterteilt. Dies entspricht dem analy-
tischen Denken, welches wir aus der
Wissenschaft kennen. Große Einheiten
werden in kleinere Einheiten zerlegt,
um auf diese Weise Strukturen und
Prozesse zu erkennen. Innerhalb die-
ser Strukturen und Prozesse kann man
gezielt arbeiten. Dieses Vorgehen ent-
spricht weitestgehend dem sogenann-
ten Modell I von Argyris, das zu Einzel-
schleifenlernen führt.
• Zum anderen wird die Ganzheit der Or-
ganisation betrachtet. Was macht den
Geist, die Inspiration einer Organisation
aus? Welche Werte stellt sie nach außen
und innen dar? Und, ganz wichtig: wie
werden diese Werte gelebt? Durch wel-
che konkreten Verhaltensweisen Ihrer
Mitglieder wird dieser Geist geprägt und
transportiert?
Um hieran zu arbeiten, lohnt es sich, in
traditionell hierarchisch aufgestellten
Organisationen, mit der obersten Füh-
rungsebene zu beginnen. Durch einfache
Übungen wie Feedback geben und neh-
men, Zuhören und Wiederholen werden
sich die Top-Führungskräfte ihrer eigenen
Verhaltensweisen bewusst und verstehen
somit auch besser, was in ihrem Unter-
nehmen vorgeht. Im Tannenbaumver-
fahren werden dann die nächsten Füh-
rungsebenen und schließlich die Mitar-
beiterschaft in das organisationale Lernen
einbezogen. Vorteil dieser Methode ist,
dass man sich nicht um Komplexitäten
kümmern muss. Jeder arbeitet in seinem
Tempo an sich und seinem Verhalten und
allein daraus ergibt sich eine Atmosphäre
des Vertrauens, aus dem Wandel entste-
hen kann. Dieses Vorgehen entspricht
weitestgehend dem sogenannten Modell
II von Argyris, das Doppelschleifenlernen
ermöglicht.
Fazit:
Nachhaltigeren Wandel bringt das
Doppelschleifenlernen, aber kurzfristiger
umsetzbar ist das Einzelschleifenlernen.
Auf welche Weise ein Unternehmen die
Erfahrungen seiner Mitarbeiter für den
Lernerfolg des gesamten Unternehmens
nutzt, ist eine Entscheidung der Füh-
rungskräfte. Sie geben durch ihr Denken
und Handeln Impulse an die Mitarbeiter.
Wie Erfahrungen und Lernen im Unter-
nehmen genutzt wird, ist heute vermut-
lich die wichtigste Entscheidung auf dem
Weg in eine wirtschaftlich und mensch-
lich erfolgreiche Zukunft.
Matthias Wölfel
„Arbeiten und Lernen sind eins“
Viele Impulse bekam Dr. Hans Rosenkranz nach eigenen
Angaben durch die Beschäftigung mit der Gruppendynamik
und der Organisationsentwicklung. Eine Einsicht lautete:
„Wir können unser individuelles und soziales Potenzial
beträchtlich steigern, wenn wir Lern- und Arbeitsstrate-
gien miteinander verbinden.“ Konkret bedeutet das, in
der Arbeit und dem Tun immer auch Lernen einzubauen.
So gewinnt der Arbeitsprozess durch organisiertes Feed-
back erheblich an Qualität. Brachliegendes Lernpotenzial
wird aktiviert. Die Philosophie des Trainngsinstituts lautet
daher: „Arbeiten und Lernen sind eins“.
Drei Beispiele aus der Trainingspraxis
Das klingt abstrakt. Rosenkranz versucht diesen Leit-
spruch durch folgende Beispiele zu erläutern:
1.
Beim Coaching laden unsere Trainer oder Coachs die
Klienten ein, ihre Gesprächshaltung im Spiegel zu beob-
Leitlinie.
Die didaktische Idee hinter den Rosenkranz-Seminaren lautet seit 1974 „angeleitete,
strukturierte Selbsterfahrung“.
achten und herauszufinden, wie sie ihre Wirkung variieren
können. Wir fordern sie auf, sich selbst beim Sprechen
zuzuhören und gleichzeitig mit Lautstärke und Schnellig-
keit zu experimentieren.
2.
Im gruppendynamischen Seminar beobachten sich
Gruppenmitglieder gegenseitig und teilen sich ihre Beob-
achtungen mit. Aus der Selbst- und Fremdreflektion entste-
hen starke Lernanregungen.
3.
Bei Team- und Organisationsentwicklung lassen wir
Abteilungen ihre bisherige und angestrebte Kultur der
Zusammenarbeit in einem Theaterstück selbst diagnosti-
zieren und eigene Lösungsansätze entwickeln.
Durch die angeleitete Selbsterfahrung entdecken die
meisten Manager ihre emotionalen und intuitiven Ressour-
cen. Das ist ein essentielles Erlebnis, das das Selbstver-
trauen und das Vertrauen in die eigene Kraft stärkt. Solche
Erfahrungen haben viele Manager zum ersten Mal.