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spezial Softwarekompendium 2018
Thomas Otter:
Die Personaler haben eine
große Chance, Vorreiter zu sein. Denn
wenn man den Technologiewandel in
den Unternehmen betrachtet, war HR
eigentlich immer vorn mit dabei. Zum
Beispiel stellte die Lohn- und Gehaltsab-
rechnung in den 1950er-Jahren die erste
IT-Lösung im Geschäftsumfeld dar. Die
erste Nutzung des Internets imBusiness
bereich entstand im Recruiting mit dem
Einsatz von Online-Stellenbörsen. Beim
Blick auf die sozialen Medien zeigt sich,
dass Linkedin eine viel größere Bedeu-
tung im HR-Bereich hat als in allen an-
deren Bereichen. Auf der einen Seite ist
HR also Vorreiter oder zumindest sehr
aktiv in Sachen Digitalisierung, auf der
anderen Seite haben die Personalma-
nager aber noch nicht verstanden, wie
sie das vermarkten können. Sie sollten
weniger Angst haben und mehr Mut
zeigen sowie ihre eigenen Erfolge bes-
ser kommunizieren – sowohl intern als
auch extern.
Unserer Erfahrung nach sind die Kun-
den bereit für standardisierte Prozesse
und sehen die Einführung einer cloud-
basierten Lösung als Möglichkeit, ihre
Bürokratie etwas abzubauen. Warum
sind drei Personen nötig, um einen Ur-
laubsantrag zu genehmigen? Das macht
keinen Sinn und verzögert den Prozess
unnötig. Die meisten Unternehmen ha-
ben das inzwischen festgestellt und wol-
len ihre Prozesse verschlanken. Auch in
cloudbasierten Lösungen ist viel Flexi-
bilität möglich. Wenn Personaler ihre
Software zu stark individualisieren,
THOMAS OTTER
ist Vice President
Produktmanagement für HR-Produk-
te bei SAP Success Factors.
Wie wird sich der Softwareeinsatz in der Entgelt
abrechnung entwickeln? Wer wird 2023 das
Entgelt der Mitarbeiter abrechnen – Computerpro
gramme, ein Roboter oder doch noch Kollegen?
PROFESSOR DR. WILHELM
MÜLDER
ist Leiter For-
schungsinstitut GEMIT (Ge-
schäftsprozessmanagement
und IT) an der Hochschule
Niederrhein, Mönchenglad-
bach.
Wilhelm Mülder:
Das Entgelt rechnen ja heute schon Computer-
programme. Das wird sich grundsätzlich nicht ändern. Heute
brauchen wir die menschlichen Entgeltabrechner vor allem zur
Datenerfassung, zur Überwachung und zur Beantwortung von
Rückfragen der Arbeitnehmer. Hier wird sich einiges ändern:
Die Programme der Entgeltabrechnung werden – bei gleich-
bleibender oder sogar zunehmender Komplexität – stabil und
zuverlässig automatisch laufen. Der Mensch wird allenfalls bei
Änderungen eingreifen. Unter dem Strich werden wir zukünf-
tig weniger menschliche Entgeltabrechner benötigen.
Innerhalb der Entgeltabrechnung wird die Software der
Zukunft ihren Dienst weitgehend ohne Eingriffe von Abrech-
nungsexperten tun können. Die Datenerfassung beispielweise
von Urlaub oder Sonderzahlung aufgrund einer Personalbe-
urteilung nehmen die Arbeitnehmer beziehungsweise Vorge-
setzten im Rahmen von Self Services selber vor. Warum sollte
nicht der Vorgesetzte Gehaltsveränderungen anstoßen im Rah-
men von Manager-Self-Service-Funktionen? Rückfragen und
Spezialfragen wird der einzelne Arbeitnehmer zukünftig im
direkten Dialog mit dem Computerprogramm lösen – in Form
eines Sprachdialogs und nicht über eine Tastatur. Die Grenzen
eines Softwareeinsatzes werden immer dann erreicht, wenn
völlig unerwartete Probleme auftauchen oder wenn mensch-
liche Kreativität gefragt ist. Handeln etwa die Tarifvertragspar-
teien komplett neuartige Vergütungssysteme aus, muss dies
zumindest vom Programmierer der Abrechnungssoftware in
den Programmen umgesetzt werden. Das können allerdings
auch die Abrechnungsexperten nicht leisten.
Personaler gelten nicht unbedingt als Treiber der
Digitaliserung. Sind sie bereit für moderene Lösungen?
übernehmen sie zunehmend IT-Aufga-
ben. Die eigentliche Aufgabe einer HR-
Abteilung ist aber, HR zu machen und
nicht IT.