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02/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
ab, dass keine empirisch überzeugenden
Belege für Reliabilität und Validität vorge-
legt werden, so stellt sich die Frage, wie
repräsentativ die Sprachprobe für die
Alltagssprache der untersuchten Person
sein soll.
Es ist zu erwarten, dass verbale und
paraverbale Merkmale sehr stark vom
Thema, über das gesprochen wird, der
Länge der Sprachprobe, dem aktuellen
emotionalen Zustand, der Körperhaltung
oder dem Anlass – beispielsweise ein
Einstellungsgespräch im Gegensatz zu
einem privaten Gespräch unter Freunden
– beeinflusst werden. Selbstverständlich
drückt sich ein Bewerber im Einstellungs-
gespräch anders und kontrollierter aus
als im Alltag. Hinzu kommen technische
Probleme, die zu Verzerrungen führen
können, wie die Qualität des Mikrofons,
über das aufgezeichnet wird.
Es gibt durchaus Studien, die zeigen,
dass sich aus der häufigen Verwendung
bestimmter Wörter in frei geschriebenen
Texten geringfügige Rückschlüsse auf
die Persönlichkeitsmerkmale ergeben
können. Hier gelten jedoch dieselben
Einschränkungen, die bereits für die
Analyse von Internetdaten aufgezeigt
wurden. Ein klassischer Persönlich-
keitsfragebogen würde die Persönlich-
keitsmerkmale deutlich besser erfassen
und aus der Wortanalyse lässt sich daher
die berufliche Leistung wahrscheinlich
schlechter prognostizieren als über ei-
nen Fragebogen.
Der Versuch einer Normierung, bei der
die Sprachparameter von Bewerbern mit
denen erfolgreicher Arbeitsplatzinha-
ber verglichen werden, läuft ins Leere.
Sprachparameter und Leistung können
gemeinsam auftreten, ohne etwas mitei-
nander zu tun zu haben. Mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit haben
beispielsweise auch alle Leistungsträger
imUnternehmen zwei Ohren. Das ist aber
kein Hinweis auf ihre Leistungsfähigkeit;
auch Minderleister verfügen über Ohren.
Per Gesichtserkennung zur Diagnose
Widmen wir uns nun noch der Software
zur Erkennung von Gesichtern. Klassi-
scherweise wird sie eigentlich bei der
Kriminalitätsbekämpfung und nicht zur
Personaldiagnostik eingesetzt. Dabei geht
es um das Wiedererkennen von Gesich-
tern, etwa zum Zweck des Abgleichs zwi-
schen Fahndungsfotos und Passagieren
am Flughafen. Bislang gibt es noch keine
Anbieter, die eine vergleichbare Software
auch zur Personaldiagnostik einsetzen.
Dies dürfte aber nur eine Frage der Zeit
sein. Dafür spricht, dass es durchaus heu-
te schon Unternehmen gibt, die sich der
Dienste dubioser Schädeldeuter bedienen
und dabei die Physiognomik von Bewer-
bern deuten. Wissenschaftliche Studien,
die sich mit der Frage beschäftigen, ob
in den Gesichtern Hinweise auf die Per-
sönlichkeit zu finden sind, fördern zum
Teil durchaus Effekte zutage. So ist es of-
fenbar einem amerikanischen Forscher-
team gelungen, per Algorithmen aus den
Gesichtszügen valide auf die sexuelle
Orientierung von Menschen zu schlie-
ßen. Eine solche Information ist für die
Personaldiagnostik jedoch irrelevant be-
ziehungsweise sie verbietet sich aus ethi-
schen Gründen, weil sie unzulässig in die
Privatsphäre von Betroffenen eingreift.
Andere Studien zeigen beispielsweise,
dass die Gesichtsbreite von Männern mit
ihrer subjektiv erlebten Macht in Verbin-
dung steht. Je breiter das eigene Gesicht
ist, desto machtvoller erleben sich die
Betroffenen. Der Zusammenhang beträgt
aber gerade einmal neun Prozent. Erneut
fehlen Belege, die zeigen könnten, dass
hiermit grundlegende Persönlichkeits-
merkmale valide zu erfassen wären oder
dass die gesammelten Daten überhaupt in
einem Bezug zur beruflichen Leistung ste-
hen. Die Akzeptanz derartiger Methoden
bei den betroffenen Personen dürfte so ex-
trem gering ausfallen, dass sie dem Image
eines Arbeitgebers nur schaden können.
Tools bisher noch unausgereift
Die Digitalisierung in der Personaldia-
gnostik bringt in Bezug auf die allseits
so beliebten Algorithmen bisher noch
keinen größeren Erkenntnisgewinn als
klassische, bereits eingeführte Tools
wie der Leistungstest. Das Argument,
die indirekte Messung von Persönlich-
keitsmerkmalen über Algorithmen wür-
de zu aussagekräftigeren Ergebnissen
führen, weil die untersuchten Personen
sie nicht manipulieren können, ist uner-
heblich. Schließlich lässt sich die Größe
der Füße auch nicht manipulieren, sie
ist aber dennoch kein sinnvolles Maß
der Personaldiagnostik.
PROF. DR. UWE P. KANNING
ist Professor für Wirtschafts-
psychologie an der Hochschule
Osnabrück.
Leistungs­
test
Fragebogen Internet­
daten
Sprach­
analyse
Gesichter­
analyse
Objektivität
hoch
hoch
hoch
mittel
hoch
Reliabilität
hoch*
hoch*
unbekannt
gering
unbekannt
Validität
hoch*
mittel*
gering
unbekannt
gering
Normierung
gut*
gut*
keine
unklar
unklar
Akzeptanz
mittel
mittel
gering
gering
gering
Schutz vor Manipulation mittel**
mittel
mittel
mittel
hoch
Einsatz des Verfahrens sehr sinnvoll* sinnvoll*
nicht sinnvoll nicht sinnvoll nicht sinnvoll
VERFAHREN BEWERTEN UND VERGLEICHEN
Die Tabelle gibt einen Überblick dazu, welche Arten von Eignungsinstrumenten
aufgrund welcher Merkmale für die Praxis geeignet sind und welche nicht.
* bei wissenschaftlich fundierten Instrumenten
** bei der Online-Variante, ansonsten hoch
1...,13,14,15,16,17,18,19,20,21,22 24,25,26,27,28,29,30,31,32,33,...76
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