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02/18 personalmagazin
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Das Interview führte
Bärbel Schwertfeger.
STEVE BLANK
kam 1978 ins Silicon Valley
und ist Mitgründer von acht Start-ups.
Produkts. Das ist die unterste Stufe von
Innovation. Auf der zweiten Ebene ver-
kauft man seine Produkte über neue und
unterschiedliche Kanäle oder entwickelt
ganz neue Produkte. Dabei bleibt man
aber weiterhin bei seinem etablierten Ge-
schäftsmodell. Auf Stufe drei ändert man
das Modell und verkauft zum Beispiel
statt Computern Telefone. Dafür braucht
man aber Mitarbeiter mit verrückten Ide-
en. Die meisten Manager mögen Stufe
eins und zwei, aber mit Stufe drei haben
sie Probleme. Es gelingt ihnen nicht, die-
se Innovationen zu integrieren.
personalmagazin:
Was ist der Grund dafür?
Blank:
Viele haben die falsche Vorstel-
lung, dass Innovationen eine Ansamm-
lung von ungezwungenen Aktivitäten
sind, ohne jegliche Disziplin. Aber das
Gegenteil ist der Fall. Um Innovationen
für ein Unternehmen nützen zu können,
braucht es einen sorgfältig gestalteten,
formalen Prozess.
personalmagazin:
Wie läuft dieser Innovati-
onsprozess ab?
Blank:
Zunächst sollte eine Gruppe eine
Liste von Problemen, Ideen und Tech-
nologien erstellen, die interessant ge-
nug sind, um Geld dafür zu investieren.
Dann wird erforscht, wo es im Unter-
nehmen bestimmte Probleme gibt, wel-
che internen Projekte bereits existieren
und welche gesetzlichen Hürden vor-
handen sein könnten. Steht die Liste von
innovativen Ideen, müssen Prioritäten
gesetzt und die Frage beantwortet wer-
den, ob ein Projekt es wirklich wert ist,
viel Zeit und Geld dafür zu investieren.
Diese Entscheidung sollte nicht von den
Managern, sondern von den Innovati-
onsteams selbst getroffen werden. Dann
werden Lösungen erkundet, Hypothe-
sen gebildet und überprüft.
personalmagazin:
Sie sind ein legendärer
Serien-Gründer und haben insgesamt
acht Start-ups aufgebaut. Denken Sie,
dass man erfolgreiches Entrepreneurship
lernen kann?
Blank:
In vielen Entrepreneurship-Kur-
sen geht es vor allem darum, einen gu-
ten Businessplan zu schreiben. Doch
dahinter liegt ein Denkfehler. Es wird
davon ausgegangen, dass ein Start-up
eine kleine Version eines großen Unter-
nehmens ist. Aber das ist falsch. Große
Unternehmen kennen ihr Geschäftsmo-
dell und setzen es um. Start-ups suchen
noch nach einem Geschäftsmodell. Des-
halb habe ich den „Lean Launch Pad“-
Kurs gestartet und unterrichte ihn seit-
dem unter anderem an der Engineering
School an der Stanford University.
personalmagazin:
Was machen Sie da?
Blank:
Ich sage den Studenten: Ihr
braucht keinen Businessplan schreiben,
aber ihr braucht eine Idee. Ich erkläre
ihnen, was ein Geschäftsmodell ist und
dann müssen sie im Team mit ihrer Idee
eines Produkts zehn bis 15 potenzielle
Kunden befragen und ihre Ideen dem
Feedback anpassen. Das wiederholt
sich zehn Mal in zehn Wochen. Dabei
werden sie von Mentoren begleitet. Am
Ende präsentiert das Team, was ihre
ersten Überlegungen waren, was sie
von den Kunden gehört haben und was
sie geändert haben. Das ist harte Praxis,
über die viele Business Schools anfangs
die Nase gerümpft haben.
personalmagazin:
Warum?
Blank:
Weil Entrepreneurship für sie
eher eine theoretische Sache war. Na-
türlich kann man auch Theorie dazu
vermitteln, aber das Wesentliche ist die
praktische Anwendung. Heute bieten
mehr als hundert Hochschulen solche
Kurse an. Und 2011 bekam ich einen
Anruf von der National Science Foun
dation, die den „Lean Launch Pad“-Kurs
jetzt für ihre Innovation Corps nützt.
Dort trainieren die besten Wissen-
schaftler des Landes, wie sie ihre Ide-
en aus den Uni-Laboren erfolgreich auf
den Markt bringen. Inzwischen gibt es
„How to Build a Startup“ auch als On-
line-Kurs.
personalmagazin:
Das klingt so, als ob
jeder ein Entrepreneur sein könnte …
Blank:
Nein, das wäre ein Desaster, so et-
was zu behaupten. Echte Unternehmer
sind Künstler. Für sie ist das nicht ein
Job, sondern eine Berufung oder fast
schon so etwas wie eine Religion. Leu-
te wie Steve Jobs, Jeff Bezos oder Elon
Musk sind Künstler und Visionäre. Als
ich meine Start-ups gegründet habe,
habe ich das auch nicht gemacht, um
Geld zu verdienen, sondern weil es für
mich das Aufregendste war, was ich tun
konnte. Ich fand es dann toll, dass ich
auch noch dafür bezahlt wurde.
personalmagazin:
Solche Menschen sind
aber rar. Sind die Ansprüche mancher
Unternehmen, möglichst viele Mitarbeiter
zu Entrepreneuren zu machen, da nicht
illusorisch?
Blank:
Es wäre Unsinn zu glauben, dass
jeder Mitarbeiter im Unternehmen das
nächste große Ding erfindet. Das kön-
nen vielleicht maximal zwei Prozent der
Mitarbeiter. Aber es ist wichtig, dass wir
alle lernen, Innovation wie eine Kunst
zu schätzen.