personalmagazin 2/2018 - page 20

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TITEL
_EIGNUNGSDIAGNOSTIK
personalmagazin 02/18
D
as Zeitalter der Digitalisierung
ist in der Personaldiagnos-
tik schon lange angebrochen.
Klassische Fragebögen und
Leistungstests werden seit Jahrzehnten
in computergestützten Varianten einge-
setzt. Seit kurzer Zeit kommen jedoch
einige völlig neue Instrumente hinzu, die
auf indirektem Weg über mathematische
Algorithmen versuchen, Eigenschaften
von Menschen zu identifizieren. Von den
Anbietern wird – wie immer – das Blaue
vom Himmel herunter versprochen. Es
gibt aber einige Kriterien, anhand derer
Personaler klar erkennen können, ob das
Verfahren ihren Erwartungen standhält.
Sechs wichtige Qualitätskriterien
Schauen wir uns zunächst an, nach wel-
chen Kriterien die Verfahren bewertet
und miteinander verglichen werden
können. Hier ist an erster Stelle die Ob-
jektivität zu nennen. Sie bezieht sich
auf die Frage, inwieweit das Ergebnis
der Untersuchung von den Personen ab-
hängt, die eine Untersuchung durchfüh-
ren. Je geringer der Einfluss ist, desto
höher fällt die Objektivität aus.
Beispielsweise haben die meisten Ein-
stellungsinterviews in Deutschland eine
sehr geringe Objektivität, weil die Inter-
viewer den Bewerbern nicht dieselben
Fragen stellen, keine klaren Kriterien
zur Bewertung der einzelnen Antworten
einsetzen und letztlich aus dem Bauch
heraus entscheiden. Zwei Interviewer
würden ein und denselben Bewerber
daher unterschiedlich bewerten, obwohl
Von
Uwe Peter Kanning
er natürlich in beiden Interviews diesel-
ben Eigenschaften besitzt. Computerge-
stützte Verfahren weisen im Gegensatz
hierzu eine hohe Objektivität auf, da sich
die Durchführung und Auswertung un-
beeinflusst von einer Person vollzieht.
Allenfalls bei der Interpretation der Er-
gebnisse kann die Subjektivität des Dia-
gnostikers die Ergebnisse verzerren.
Das Kriterium der Reliabilität bezieht
sich auf die Frage, wie exakt die getrof-
fenen Aussagen sind und ob sie auch
über mehrere Monate oder gar Jahre hin-
weg Gültigkeit besitzen. Untersucht wird
dies unter anderem, indem eine Gruppe
von Menschen zweimal denselben Test
im Abstand von etwa einem halben Jahr
bearbeiten muss. Anschließend wird be-
rechnet, wie unterschiedlich die Ergeb-
nisse ausfallen. Da sich grundlegende
Persönlichkeitsmerkmale in solch kur-
zer Zeit nicht verändern, spricht eine ge-
ringe Übereinstimmung dafür, dass die
Reliabilität des Testverfahrens gering
ist, es also keine exakten und zeitlich
stabilen Aussagen ermöglicht. Die Reli-
Humbug schnell entlarven
ÜBERBLICK.
Viele Anbieter in der Eignungsdiagnostik versprechen zu viel. Woran sich
erkennen lässt, ob ein digitales Tool wirklich für den professionellen Einsatz taugt.
Den falschen Fünfziger erkennt
man an eindeutigen Kriterien –
ähnlich sollte man bei diagnos­
tischen Tools verfahren.
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