personalmagazin 2/2018 - page 12

12
TITEL
_EIGNUNGSDIAGNOSTIK
personalmagazin 02/18
gelöst, welches Ziel erreicht werden?
Die im Rahmen integrierter People Ana-
lytics Lösungen erhobenen und/oder
aufbereiteten Daten helfen dabei, Prob-
leme aufzudecken, Ziele zu formulieren
und die Zielerreichung zu messen.
• Evidenzbasierung: Die Gewinnung von
Anforderungsprofilen, die Auswahl diag-
nostischer Verfahren und die Ableitung
von Entscheidungsregeln sollten seit je-
her evidenzbasiert erfolgen. Daten über
die Tätigkeit sind für die Bestimmung
des Anforderungsprofils ebenso entschei-
dend wie Daten über die Bewährung der
aktuellen Jobinhaber. Für die Auswahl
der Verfahren sind neben der Validität
die Basisrate und die Selektionsrate ent-
scheidend. Bislang wurden diese Daten
– im günstigsten Fall – hilfsweise aus in
der Fachliteratur publizierten Informati-
onen geschätzt. Mit People Analytics ist
es Organisationen, sofern sie über die
notwendige Größe verfügen, möglich, all-
gemeine Erkenntnisse um organisations-
spezifische Daten zu ergänzen.
Phase 2: Durchführung und Aus-
wertung der Verfahren
Die Möglichkeiten zur Durchführung
und Auswertung eignungsdiagnosti-
scher Verfahren erweitern sich. Dies be-
trifft im klassischen Online-Assessment
beispielsweise den Modus der Durch-
führung (orts- und zeitunabhängig) und
die Stimuli (zum Beispiel visuell, audi-
tiv, dynamisch) sowie die Interaktivität
(zum Beispiel dynamisches, adaptives
Testen). People Analytics eröffnet so-
wohl tiefergehende Analysen bereits vor-
liegender Daten als auch die Erfassung
neuer Daten. Ein Beispiel für die erste
Kategorie ist die tiefergehende Analyse
von Bewerbungsunterlagen. Text-Mi-
ning-Programme ermöglichen die Ana-
lyse der Wortanzahl, der Sprachstruktur
oder der Häufigkeit von positiven oder
negativen Begriffen (Sentimentanaly-
se). Wie bei anderen eignungsdiagnos-
tischen Verfahren stellt sich allerdings
auch hier das Problem der Verfälschbar-
keit. Bislang selten oder nicht eignungs-
diagnostisch genutzte Daten sind zum
Beispiel Maus- und Blickbewegungen
bei Online-Assessments oder Video-
interviews, Videoaufzeichnungen in
Assessment Centern sowie Stimmauf-
zeichnungen in Telefoninterviews. Eine
Herausforderung in diesem Kontext ist
die technische Qualität der Daten.
Phase 3: Interpretation der
Verfahrensergebnisse
Den größten Fortschritt und Qualitäts-
gewinn erwarten wir im Bereich der
Ergebnisinterpretation. Mit People
Analytics wird es möglich sein, die in
der Eignungsdiagnostik seit langem
bekannten Vorzüge einer „mechanisch/
statistischen“ Vorgehensweise im All-
tag zu realisieren und das Vorgehen
zugleich zu optimieren. Mit der statisti-
schen Interpretation der Daten im Sinne
von Paul E. Meehl ist ein formalisiertes
Vorgehen auf der Basis von Regeln ge-
meint, wobei diese Regeln aufgrund von
empirischen Beziehungen automatisch
erarbeitet und kontinuierlich optimiert
werden. Dieses Vorgehen und seine
Vorteile sind wohlbekannt, angewandt
wurde das Vorgehen hingegen nur
selten. Dies lag unter anderem daran,
dass es häufig zu wenig geeignete Da-
ten gab, mit denen Regeln abgeleitet
werden konnten, oder die Ermittlung
und Umsetzung der Regeln zu aufwän-
dig war. Der Einsatz von integrierten
People-Analytics-Lösungen kann hier
die Wende herbeiführen. Automatisierte
Vorschläge für Eignungsbeurteilungen
können auf Basis komplexer, empirisch
gewonnener und kontinuierlich opti-
Auch wenn der digitale Fortschritt neue Spielräume eröffnet, gilt kein „anything
goes“ – dies betrifft die Akzeptanz der Datenauswertung durch Mitarbeiter und Be-
werber sowie die rechtlichen Voraussetzungen und ethischen Abwägungen. Welche
rechtlichen Grenzen gibt es für People Analytics?
Die rechtlichen Grenzen ergeben sich insbesondere durch das Recht auf freie Entfaltung
der Persönlichkeit (Art.l 2 GG) sowie durch Datenschutzgesetze. Einschlägig sind das
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie ab dem 25.05.2018 die europäische Daten-
schutzgrundverordnung (DSGVO). Paragraph 4 des BDSG regelt die Zulässigkeit der Da-
tenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. In Absatz 1 wird ausgeführt: „Die Erhebung,
Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses
Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffe-
ne eingewilligt hat.“
Selbst in dem Fall, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten durch Recht
oder Einwilligung des Betroffenen erlaubt ist, gilt es, nach § 3a des BDSG „so wenig
personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen“.
Dieses Prinzip der Datenvermeidung und -sparsamkeit steht einem explorativen Data-
Mining-Ansatz klar entgegen. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht lassen sich
unter anderem zwei Anforderungen ableiten: Zum einen darf sich das Interesse der
(potenziellen) Arbeitgeber nur auf Informationen richten, die einen Anforderungsbezug
haben. Zum anderen müssen die Mitarbeiter und Bewerber kontrollieren können, wel-
che Informationen sie preisgeben. Schließlich verbietet der Datenschutz, dass weitrei-
chende Entscheidungen ausschließlich automatisiert erfolgen. Das BSDG sieht außerdem
weitgehende Auskunftspflichten vor, wobei den Betroffenen auch der logische Aufbau
der Verarbeitung der ihn betreffenden Daten zu erläutern ist. Damit kommen eignungs-
diagnostische Tools von Anbietern, die unter Verweis auf ein Betriebsgeheimnis, auf die
Dynamik des maschinellen Lernens oder mit anderen Argumenten einen Einblick in die
Entscheidungsalgorithmen verweigern, für den Praxiseinsatz eher nicht in Frage.
Rechtliche und ethische Grenzen
HINTERGRUND
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,...76
Powered by FlippingBook