personalmagazin 03/2016 - page 35

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03/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
kommt, sondern aus der Zusammenarbeit
vieler Kollegen. Auch das in der Studie
untersuchte Unternehmen pocht hinsicht­
lich Wissensmanagement komplett auf
das Prinzip Freiwilligkeit, was zu einem
hohen Anteil von Trittbrettfahrern führt,
die wenig bis nichts beitragen.
Die Studie aus Praxissicht
weitergedacht
Vor einer Dekade meinte der amerika­
nische Ökonom Milton Friedman, durch
das Internet und ständig wachsende
Online-Kommunikation würde die Welt
flach. Bisher Trennendes könne durch
virtuelle Kontakte aufgehoben werden.
Diesen fundamentalen Optimismus tei­
len die Autoren der Studie nur bedingt.
Sie sehen weiterhin geografische und
weitere „fremdelnde“ Hürden zwischen
Menschen hinsichtlich ihrer digitalen
Kontakte. Das Andere und damit oftmals
Neuartige und wirklich Nützliche bleibt
bei vielen Online-Interaktionen einer
Organisation noch außerhalb des vom Su­
chenden akzeptierten Dunstkreises.
Umso mehr erstaunt die Reichweite
mancher trans-organisationaler kodifi­
zierter Wissensdatenbanken, wie etwa
Wikipedia. Bei ihnen interessiert es den
Suchenden eigentlich kaum, welche
Menschen sich hinter den Antworten
verbergen und wie weit weg sie sind. Wi­
kipedia hat sich zu einer starken Marke
entwickelt, mit dem zentralen Merkmal
jede Marke: stabile Zuverlässigkeit.
Von diesem systemischen Vertrauens­
vorschuss sind die allermeisten
unternehmensinternen Wissensma­
nagementsysteme noch weit entfernt.
Wohl auch, weil sich die wenigsten
Organisationen beharrlich um ihr eige­
nes Wissen kümmern. Wohl auch, weil
Wikipedia Qualitätskontrolle betreibt
und inhaltlicher Mist recht rasch abge­
sondert wird. Wohl auch, weil die aller­
meisten Nutzer weitaus mehr positive
Erfahrungen machen konnten als Ent­
täuschungen erlebten.
MARTIN CLASSEN
führt seit
2010 sein Beratungsunter-
nehmen People Consulting.
DR. CHRISTIAN GÄRTNER
ist Lehrstuhlvertreter für
Unternehmensführung an der
Universität Witten/Herdecke.
Zu oft hakt es noch am Transfer
wissenschaftlicher Erkenntnisse
in die Praxis. Darum stellen der
Berater Martin Claßen und der
Wissenschaftler Christian Gärtner
im Personalmagazin die Kern-
ergebnisse internationaler Studien
vor und ziehen Schlussfolgerungen
für das deutsche HR-Management.
In diesem Serienteil geht es um
die Studie „Knowledge Sharing in
Communities: Learning to Cross
Geographic and Hierarchical Bound-
aries“, die in der Zeitschrift Orga-
nization Science erschienen und
unter
papers.cfm?abstract_id=1983463
einsehbar ist.
(cg)
SERIE
anfängliche Vorsicht diesem Fremden,
Unbekannten und eben nicht Fragwür­
digen gegenüber abgebaut wird. Selbst
wenn dort, in der Ferne, genau die Lö­
sung für ein sehr spezifisches Problem
hierzulande zur Verfügung stehen wür­
de. Im Grunde müsste man einfach nur
Kontakt aufnehmen – aber es zählt eben
doch erst einmal geografische Nähe.
Wissenssilos bestehen so lange, wie
sich Menschen untereinander nicht oder
kaum kennen. Wenn es einer Organisa­
tion gelingt, den personellen Austausch
zu intensivieren, transnationale Ver­
bindungen und globale „subject matter
teams“ aufzubauen, wird die individuelle
Bereitschaft zur Antwortsuche bei „fer­
nen“ Kollegen und deren Antwortgeben
wachsen. Dies ist durch Zeit und Spesen
natürlich immer mit höheren Kosten ver­
bunden als das Kochen im eigenen Saft.
Übrigens: Immer wieder wird angeregt,
die Beiträge zum Wissensmanagement
als Bestandteil des Beurteilungsprozesses
aufzunehmen. Viele der uns bekannten
Firmen, die dies konkret versucht hatten,
sind bald wieder davon abgekommen,
weil es zu aufwendig und zu ungerecht
war. Und weil die essentielle Problem­
lösung selten von einer einzigen Person
© RAINER ELSTERMANN/CORBIS
Der „nahe“ Wissensaustausch
wird eher angenommen.
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