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02/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
arbeiter in Wohlfahrtsprojekte stecken
kann und dann deren Bindung ans Unter-
nehmen steigt. Stattdessen legen wir dar,
dass man Mitarbeitern, die ein ureigenes
Interesse an sozialen Initiativen haben,
Wohlfahrtsprojekte anbieten sollte, so-
dass deren Bindung steigt“ (Seite 15).
Der nachdenklichste Satz lautet:
„Frauen, jüngere Arbeitnehmer, länger
Beschäftigte und High Performer neh-
men eher an CSI-Projekten teil als ande-
re“ (Seite 2).
Konsequenzen fürs HR Management
Talent Management ist – trotz eines ge-
wissen Überdrusses mit dem Begriff –
weiterhin ein zentrales HR-Thema. Die
Bindung von guten Mitarbeitern ist eine
Aufgabe, zu deren Lösung der Personal-
bereich einiges beitragen kann. Tradi-
tionellerweise sind finanzielle Anreize,
eine passende Unternehmenskultur, die
Qualität von Arbeit und Führung die
Stellschrauben, mit denen der Personal-
Bereich die Mitarbeiterbindung festigen
kann. Die Studie zeigt, dass auch das
Angebot von Wohlfahrtsprojekten in
den Instrumentenkasten der Personal-
abteilung mit aufgenommen werden
sollte.
Dabei versteht es sich fast von selbst,
dass Mitarbeiter nicht zu CSI-Projekten
verpflichtet werden dürfen, sondern frei-
willig aussuchen, ob und bei welchen Pro-
jekten sie mitmachen wollen. Dann kann
HR sich aber erhoffen, dass nicht nur ein
positiver Effekt für die Firma aufgrund
der erhöhten Mitarbeiterbindung aus-
geht, sondern dass zusätzlich ein öffent-
lichkeitswirksamer Reputationsgewinn
eingefahren werden kann. Wenn schließ-
lich noch die Kunden für solche Projekte
etwas bezahlen und die Berater auf Teile
des Gehalts verzichten, lässt sich ein
Business Case aufbauen, der auch zah-
lengetriebene Manager überzeugt.
Aus Praxissicht weitergedacht
Es ist zweierlei zu beachten. Das Instru-
ment „CSI-Projekte anbieten“ ist nicht
einfach umzusetzen. Zunächst müssen
geeignete Projekte identifiziert und Kun-
den überzeugt werden. Und dann macht
die Empfehlung der Forscher, dass Mit-
arbeiter entscheiden sollen, ob und wel-
chem Projekt sie zugeordnet werden,
Schwierigkeiten: für das Staffing (wer ist
wann verfügbar und hat welche Kompe-
tenzen?), für die Performance-Bewertung
(wie sollen die Ergebnisse bei Projekten
mit höherem ökonomischen Druck be-
wertet werden?) und für das Vorhalten
von Projekten, sodass jederzeit für alle
interessierten Mitarbeiter genügend
Projekte, die ihren Präferenzen entspre-
chen, angeboten werden können.
Zweitens wird eine Annahme in der
Studie stillschweigend als gesetzt be-
trachtet: Hohe Mitarbeiterbindung ist
gut und Fluktuation ist schlecht. Das ist
nicht unbedingt so. In nicht wenigen Ar-
beitskontexten hält eine „gesunde Fluk-
tuation“ die Ideenvielfalt und Neugier
ebenso hoch wie den Druck auf die Mit-
arbeiter. Im Ergebnis kann eine gewisse
Fluktuation also zu Innovation und nied-
rigen (Personal-)Kosten führen.
MARTIN CLASSEN
führt seit
2010 sein Beratungsunter-
nehmen People Consulting.
DR. CHRISTIAN GÄRTNER
ist Lehrstuhlvertreter für
Unternehmensführung an der
Universität Witten/Herdecke.
Zu oft hakt es noch am Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis. Darum
stellen der Berater Martin Claßen und der Wissenschaftler Christian Gärtner im Personal-
magazin die Kernergebnisse internationaler Studien vor und ziehen Schlussfolgerungen
für das deutsche HR-Management. In diesem Serienteil geht es um die Studie „Corporate
social initiatives and employee retention“, die in der Zeitschrift Organization Science
erschienen und unter
sehbar ist.
(cg)
SERIE
verbessern. Ermöglicht man den sozial
eingestelltenMitarbeitern die Teilnahme
an Projekten, die explizit soziale Ziele
verfolgen, werden diese eine Passung
zwischen sich und ihrer Firma empfin-
den. Ein hoher Person-Organisation-Fit
trägt nachweislich zu höherer Bindung
und Zufriedenheit bei, weil man sich mit
seiner Firma identifizieren kann. Dabei
selektieren sich die Mitarbeiter gemäß
ihrer Präferenzen und bewerben sich für
Wohlfahrtsprojekte oder weiterhin für
klassische Projekte, in denen Profitziele
der Kunden und der Beratung überwie-
gen. Außerdem können CSI-Projekte das
Firmen-Image aufpolieren und wer ein
positiveres Bild von seinem Arbeitgeber
hat, der bleibt ihm auch eher treu.
Zwar konnte empirisch gezeigt wer-
den, dass die Teilnahme an CSI-Pro-
jekten die Retention erhöht. Es gibt aber
Faktoren, die den Zusammenhang be-
einflussen. Er wird schwächer, wenn die
Projekte mehrere Monate statt nur weni-
ge Wochen gehen. Noch stärker negativ
wirkt sich der Projektort aus: wer weit
entfernt in Schwellenländern eingesetzt
wird, verliert die Bindung nicht nur zu
Kollegen und internen Netzwerken da-
heim, sondern auch insgesamt zur Fir-
ma. Dann sinkt die Mitarbeiterbindung
und es steigt die Kündigungsrate.
Für wen oder was das Ganze gilt
Da Daten aus vier Ländern (USA, Kana-
da, England, Irland) erhoben wurden,
sollten die Ergebnisse auch für andere
Unternehmen mit westlichem Wertekern
gelten. Außerdem: wenn sich schon bei
Unternehmensberatern, die im Verdacht
stehen, eher eigennützige als gesell-
schaftliche Ziele zu verfolgen, ein positi-
ver Effekt zeigt, dann sollten Firmen, in
denen die Mitarbeiter sozialer eingestellt
sind, erst recht mit Wohlfahrtsprojekten
punkten können.
Der wichtigste und der nachdenk­
lichste Satz
Der wichtigste Satz lautet: „Unsere Ergeb-
nisse zeigen nicht, dass man wahllos Mit-
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