PERSONALquarterly 2/2019 - page 28

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 02/19
PERSONALquarterly:
Herr Hilgers, Sie waren bis vor Kurzem bei
Volkswagen verantwortlich für die Personalentwicklung (PE).
Um bei VW die Managementlaufbahn einschlagen zu können,
galt es in den letzten Jahrzehnten, ein Assessment Center (AC)
zu bestehen. Nun soll alles anders werden. Warum?
Lars Hilgers:
Wir haben seit über 20 Jahren Erfahrungen mit As-
sessment Centern gesammelt – positive wie negative. Diese Er-
fahrungen haben wir im Jahr 2015 aufgegriffen und uns gefragt,
ob wir mit der bis dahin aktuellen Personalentwicklung noch
ausreichend zum künftigen Erfolg des Unternehmens beitragen
können. Zugleich haben wir uns gefragt, was die jüngeren Gene-
rationen von einer Personalentwicklung erwarten, um uns als at-
traktiven Arbeitgeber wahrzunehmen. Außerdem haben wir uns
während der Analyse des Istzustands mit einer Benchmark-Ana-
lyse und durch Austausch mit verschiedenen personaldiagnos-
tischen Instituten Impulse von außen geholt. Wir haben unsere
Analysen und Diskussionen von Beginn an markenübergreifend
geführt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir die Per-
sonalentwicklungsstrategie verändern wollen. Das Assessment
Center, quasi das Eintrittstor in eine Managementlaufbahn, war
bis dahin mit vielen Geschichten und Mythen belegt. Daher ging
es uns darum, durch Veränderung dieses Auswahlinstruments
ein erstes erkennbares Signal zu setzen.
PERSONALquarterly:
Welche Vorstellungen haben Sie geleitet, um
Karrierewege im Unternehmen neu zu gestalten?
Stephanie Rosenthal:
Wir haben uns sehr früh auf Prämissen ge-
einigt, die uns während des gesamten Prozesses begleitet und
an denen wir uns orientiert haben. Der neue Personalentwick-
lungsprozess soll dafür sorgen, dass
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wir Vielfalt explizit fördern, um dem Mainstream und ge-
wachsener Konformität ernsthaft zu begegnen,
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Transparenz selbstverständlich wird,
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die Eigenverantwortung der Talente für alle Beteiligten von
Beginn an spürbar wird,
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die realen Leistungen der Talente in Betracht gezogen werden
und nicht mehr künstliche Situationen die Entscheidungs-
grundlage dafür bilden, ob ein Talent Managerin oder Mana-
ger bei Volkswagen wird oder nicht,
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wir das Mehraugenprinzip weiter stärken und darüber hi-
Der neue Entwicklungsweg ins Management
ist ein Kernelement des Kulturwandels bei VW
Das Interview mit
Lars Hilgers
und
Stephanie Rosenthal
führte
Prof. Dr. Simone Kauffeld
naus auch die Beurteilungen von Kollegen, Mitarbeitern und
Prozesspartnern/Kunden eine Rolle spielen,
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die Veränderung hin zu einer Kultur der Zusammenarbeit
und Aufrichtigkeit geht, in der Achtsamkeit ebenso wichtig
ist wie Effizienz und in der mutige Entscheidungen immer
sichtbar im Sinne des Kundennutzens getroffen werden.
PERSONALquarterly:
Wie sind Sie vorgegangen?
Hilgers:
Wir haben uns zu Beginn mit den Personalentwick­
lungsleitern verschiedener Konzernmarken zusammengesetzt
und ihnen erläutert, warumwir eine Veränderung der Personal­
entwicklungsstrategie für nötig halten. Dieses „Warum“ haben
wir intensiv diskutiert. Dann haben wir gemeinsam leitende
Prämissen definiert. Im Anschluss haben wir eine markenüber-
greifende Arbeitsgruppe gebildet, die auf Basis dieser Grundsät-
ze einen Vorschlag für eine neue Personalentwicklungsstrategie
ausarbeiten sollte. Danach erst begann die eigentliche Arbeit
– von der Analyse des Istzustands über den Austausch mit
verschiedenen personaldiagnostischen Instituten bis hin zur
Benchmark-Studie, die wir in Auftrag gegeben haben. Die Ar-
beitsgruppe hat im Jahr 2016 ein Konzept erarbeitet, Anfang
2017 wurde es mit den PE-Verantwortlichen der beteiligten
Marken abgestimmt. Anschließend haben wir dieses Konzept,
ebenfalls 2017, im Konzernvorstand zur Abstimmung gebracht.
Damit hatte jede Marke die Legitimation und den Auftrag, die
Abstimmung des neuen Konzepts in ihrem Vorstand herbeizu-
führen. Im Ergebnis haben wir nun erstmals ein einheitliches
markenübergreifendes Personalentwicklungskonzept.
PERSONALquarterly:
Warum haben Sie sich nicht für ein Develop­
ment Center (DC) entschieden?
Hilgers:
Darüber haben wir anfangs ausführlich diskutiert — und
haben uns schließlich dagegen entschieden, weil wir im neu-
en Prozess konsequent auf künstliche Situationen verzichten
wollten. Unsere Organisation ist sehr geübt darin, ihre Talente
auf alles vorzubereiten, was in einemAC passiert und gefordert
wird. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder vor,
dass Übungsaufgaben und passende Antworten, teils auswen-
dig gelernt, entsprechend vorgetragen wurden. Das ist dann
das Gegenteil von authentischem Verhalten und ein klares In-
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