PERSONALquarterly 2/2019 - page 33

33
02/19 PERSONALquarterly
Rosenthal:
Zunächst haben wir ein deutliches Aufatmen darüber
gespürt, dass sich auf dem Weg ins Management kein Talent
mehr einem Assessment Center stellen muss. Dieser „Moment
of Excellence“ wurde stets als große Hürde empfunden. Aktuell
erreichen uns in der Phase der Einführung des neuen Entwick-
lungswegs viele konkrete Fragen der Talente bezogen auf ihre
Positionierung im Prozess (Bspw.: „Kann ich die Entwicklungs-
phase mit meinen Erfahrungen überspringen und direkt in die
Sichtungsphase einsteigen?“). Wir erleben große Neugier, aber
auch anfängliche Unsicherheit, was uns angesichts der grund-
legenden Veränderung nicht überrascht. Kritische Stimmen
haben uns bisher noch nicht erreicht. In sechs Monaten liegen
uns sicher erste Rückmeldungen unserer Talente zu ihren Er-
fahrungen vor. Wir sind darauf sehr gespannt.
PERSONALquarterly:
Welche Gefahren sehen Sie bei der Einführung
des Modells?
Hilgers:
Wir sehen mehr Chancen. Mit der Einführung des neu-
en Entwicklungswegs ins Management werden sicher auch
Problemstellungen sichtbar, die es noch zu lösen gilt. Beispiels-
weise müssen wir uns Themen wie den flächendeckenden Stel-
lenbewertungen imManagement oder auch der Quotierung der
Managementstellen widmen. Dies wollen wir zügig und mitei-
nander angehen, damit die Geschäftsbereiche den neuen Pro-
zess auch als unkompliziert und transparent in der Umsetzung
erleben. Alle Beteiligten sollen den neuen Prozess mittragen.
Das gelingt nur, wenn die Idee dahinter verständlich ist und im
Unternehmensalltag gelebt werden kann.
PERSONALquarterly:
Seit dem Dieselskandal, der VW in den letzten
Jahren durchaus in Atem gehalten hat, taucht an verschiedenen
Stellen die Forderung nach einem Kulturwandel auf, der seit
Ende des Jahres 2015 von diversen Aktivitäten umrahmt wird.
Was trägt die Neugestaltung des Wegs ins Management zum
Kulturwandel bei?
Hilgers:
Wir glauben, dass die Neugestaltung des Entwick­
lungswegs ins Management zu den Kernelementen des Kultur­
wandels zählt. Denn dieser Prozess bringt ganz offensiv einen
anderen, einen neuen, einen modernen und kulturverän-
dernden Spirit mit sich, der von nun an täglich im operativen
Handeln der Talente und Feedback-Geber sichtbar wird. Die
Basis aller PE-Instrumente ist ja das Konzernanforderungs-
profil und das fußt auf den Leitbildern, die im Rahmen des
Kulturwandels entwickelt worden sind. Wir machen den Kul-
turwandel damit sozusagen pragmatisch erlebbar (vgl. Abb. 3).
PERSONALquarterly:
Was müsste passieren, damit Sie das Modell
in zehn Jahren als Erfolg feiern?
Rosenthal:
In zehn Jahren und auch schon früher wird nicht
mehr die Stimme Einzelner entscheiden, wer in unserem
Unternehmen Managerin oder Manager wird. Die Diskussi-
onen und die Persönlichkeiten im Management werden deut-
lich vielfältiger sein. Die Arbeitsformen sind offener gestaltet,
wir erleben intensive Zusammenarbeit über Abteilungs- und
Bereichsgrenzen hinweg. Management, Mitarbeiter und Be-
reiche untereinander sind mehr denn je ein Team.
PERSONALquarterly:
Wie lauten die praxisrelevanten Forschungs­
fragen zur Karriereentwicklung, die uns noch mehr beschäf­
tigen sollten?
Hilgers:
Uns würde sehr interessieren, ob eine fachbereichs­
übergreifende Fachkarriere sinnvoll und umsetzbar ist oder
ob nicht gerade die Fachkarriere durch die Fachbereiche selbst
gestaltet werden muss. Darüber hinaus fände ich es toll, Model-
le zu entwickeln, die zeigen, wie es gelingen kann, tatsächlich
unterschiedliche Karrierewege im Unternehmen zu gestalten,
und zwar in der Hinsicht, dass Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter mal verantwortungsvollere Aufgaben und Funktionen
übernehmen, in einem anderen Lebensabschnitt aber viel-
leicht Bedarf an einer Aufgabe oder Funktion haben, die mit
etwas weniger Verantwortung verbunden ist. Die Frage wäre
also, wie wir das „unnatürliche Muster“, dass es stetig bergauf
gehen muss, durchbrechen. Ich halte das für unrealistisch und
nicht für jeden leistbar und erstrebenswert.
Übrigens bringt das auch dem Unternehmen mehr Möglich-
keiten zu „atmen“ und insgesamt mehr Möglichkeiten für Rota-
tionen. Zu wissen, wie so etwas zukünftig ohne Gesichtsverlust
der Menschen gelingen könnte, das hätte bahnbrechendes und
kulturprägendes Potenzial, zumindest in großen Industrie­
unternehmen.
Abb. 3:
Beitrag des neuen Entwicklungswegs ins
Management zur Kulturveränderung
Quelle: Volkswagen AG
heute
morgen
Konformität
Diversität
Fremdsteuerung
Selbststeuerung
Off-the-Job (Labor)
On-the-Job (Praxis)
Beurteilung ausschließlich durch
die Hierarchie
Beurteilung auch durch Kollegen
Auswahlorientierung
Entwicklungs- und Auswahl­
orientierung
Informationsmacht
Transparenz
1...,23,24,25,26,27,28,29,30,31,32 34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,...60
Powered by FlippingBook