PERSONALquarterly 2/2019 - page 40

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PERSONALquarterly 02/19
NEUE FORSCHUNG
_BERUFLICHE MOBILITÄT
D
ie Entscheidung für einen beruflichen Wechsel zählt
zu den wichtigsten Entscheidungen, die eine Person
in ihrer Karriere machen kann. Berufswechsel sind
gekennzeichnet durch eine Änderung der berufs-
bezogenen Aufgaben und Zuständigkeiten. Ein Beispiel wäre
hier der Wechsel von einer Tätigkeit als Bürokauffrau zu einer
als Gärtnerin. Initiale berufliche Entscheidungen werden von
Faktoren wie dem Geschlecht, akademischen Leistungen und
Interessen beeinflusst (Volodina/Nagy, 2016; Wille/Tracey/
Feys/De Fruyt, 2014). Berufliche Interessen können sich jedoch
über die Zeit verändern. Mancher mag aufgrund mangelnder
Informationen oder Alternativen einen Beruf gewählt haben,
der von Anfang an nicht zu seinen Interessen passte. Doch
selbst wenn eine Person lieber in einem anderen Beruf arbei-
ten würde: Die Entscheidung für einen beruflichen Wechsel ist
kritisch, da die bereits gewonnenen beruflichen Erfahrungen
im neuen Beruf häufig nur bedingt nützlich sind.
Ein beruflicher Wechsel bedeutet also, dass für die Erfüllung
der neuen Arbeitsaufgaben neues Wissen sowie neue Fertig-
keiten notwendig sind (Blau, 2007; Sullivan, 2010). Dies un-
terscheidet Berufswechsel von Arbeitgeberwechseln, welche
zwar eine Änderung des Arbeitsumfelds nach sich ziehen, bei
denen jedoch keine grundlegend anderen Kenntnisse und Fer-
tigkeiten benötigt werden. Berufswechsel hingegen bedeuten,
dass bereits erworbenes Wissen und Fertigkeiten ungenutzt
bleiben, da für die neue berufliche Tätigkeit ein neuer Stock
an Humankapital aufgebaut werden muss (Kambourov/Ma-
novskii, 2009). Gleichzeitig waren der Aufwand und die Zeit,
die für den Erwerb des berufsspezifischen Wissens und der
berufsspezifischen Fähigkeiten aufgewendet wurden, gänzlich
oder teilweise umsonst. Hat man mehrere Jahre seiner Karriere
investiert, um Know-how für eine bestimmte berufliche Tätig-
keit aufzubauen, ist es deshalb ein großer Schritt, dieses Hu-
mankapital brachliegen zu lassen und in einem anderen Beruf
neue Kenntnisse aufzubauen. Dies gilt selbst dann, wenn der
aktuelle Beruf keine Perspektiven bietet oder die Person mit
ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr zufrieden ist.
Pfadabhängigkeit in Karrieren als Erklärung
für berufliche Mobilität
Von
Dr. Katja Dlouhy
und
Prof. Dr. Torsten Biemann
(Universität Mannheim)
1
Bisher gibt es wenige Erkenntnisse, inwiefern der Verlauf
der bisherigen Karriere sich auf die Wahrscheinlichkeit be-
ruflicher Wechsel auswirkt. Wir vermuten, dass der Aufbau
von berufsspezifischem Humankapital zu einer Festlegung
auf einen bestimmten Karrierepfad und somit zu weniger
Berufswechseln führt. Mithilfe eines Studiendesigns, in wel-
chem für jede Person Karriereinformationen zu zahlreichen
Messzeitpunkten vorlagen, haben wir deshalb die Pfadabhän-
gigkeit beruflicher Karrieren und somit die berufliche Mo-
bilität untersucht. Darüber hinaus haben wir geprüft, ob es
Geschlechterunterschiede bezüglich der Wahrscheinlichkeit
von Berufswechseln zu Beginn der beruflichen Karriere gibt.
Pfadabhängigkeit in Karrieren
Der Karriereverlauf einer Person kann als pfadabhängiger Pro-
zess aufgefasst werden. Pfadabhängigkeit wird nach Sydow,
Schreyögg und Koch (2009) als Prozess definiert, welcher sich
über die Zeit entwickelt und in verschiedene Phasen unterteilt
werden kann. Zunächst existiert für eine Person eine Viel-
zahl von Entscheidungsalternativen. Am Anfang der Karriere
sind dies verschiedene berufliche Optionen. Von diesen Op-
tionen wird aufgrund bestimmter Vorlieben oder Interessen
eine ausgewählt, bspw. die Ausbildung zur Bürokauffrau. So-
bald eine Person sich für eine Alternative entscheidet, wird
ein selbstverstärkender Prozess in Gang gesetzt. Im Verlauf
der Ausbildung erwirbt die Person immer mehr Wissen und
Fähigkeiten, welche für einen Beruf relevant sind. Mit zuneh-
mendem Fachwissen fällt die Bewältigung von Aufgaben im
Beruf leichter, die Person schöpft positive Emotionen aus dem
Meistern der Aufgaben, zudem steigt oftmals das Gehalt (Blau,
2007). Dadurch ergibt sich ein positiver Rückkopplungspro-
zess; das Verfolgen eines bestimmten Karrierepfads und die
Spezialisierung auf einen Beruf werden somit positiv verstärkt.
Gleichzeitig nimmt die Anzahl anderer beruflicher Optionen
oder beruflicher Spezialisierungen ab, welche man verfolgen
könnte, ohne auf die bisher erworbene Expertise zu verzichten.
Der berufliche Karrierepfad verfestigt sich so immer mehr, bis
die Person schließlich auf einen Pfad festgelegt ist (vgl. Abb. 1).
Natürlich bedeutet die Festlegung auf einen Karrierepfad nicht,
dass es unmöglich wäre, die berufliche Tätigkeit zu wechseln
1
Ergebnisse aus dieser Studie wurden im Journal of Vocational Behavior veröffentlicht: Dlouhy, K./
Biemann, T. (2018): Path dependence in occupational careers: Understanding occupational mobility
development throughout individuals‘ careers. Journal of Vocational Behavior, 104, 86-97.
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