PERSONALquarterly 2/2019 - page 44

44
PERSONALquarterly 02/19
NEUE FORSCHUNG
_BERUFLICHE MOBILITÄT
Grund dafür könnte sein, dass positive Verstärkung in Form von
z. B. beruflichen Erfolgserlebnissen oder auch Gehalt höher ist,
je länger man in einem Beruf arbeitet. Diese zunehmende po-
sitive Verstärkung auf dem Berufspfad erschwert die Entschei-
dung für berufliche Mobilität. Darüber hinaus konnte gezeigt
werden, dass es insofern geschlechterspezifische Unterschiede
im Verlauf der beruflichen Karriere gibt, als dass Frauen eine
geringere berufliche Mobilität zeigen. Obwohl lediglich die ers­
ten 15 Jahre nach Berufsbeginn betrachtet werden konnten,
ist aufgrund der beschriebenen Mechanismen davon auszuge-
hen, dass die berufliche Mobilität im Laufe der Karriere immer
weiter abnehmen würde. Es konnte in den vorliegenden Daten
darüber hinaus nicht unterschieden werden, ob die Berufswech-
sel freiwillig erfolgten, weil bspw. ein anderer Beruf attraktiver
erschien, oder ob die Berufswechsel unfreiwillig erfolgten, weil
bspw. eine Person in einem bestimmten Beruf keine Arbeit fin-
den konnte. Doch in jedem der beiden genannten Fälle spielt die
Pfadabhängigkeit der Karriere weiterhin eine Rolle ebenso wie
die Sorge vor dem Verlust von berufsspezifischem Wissen und
Fertigkeiten. Interessanterweise scheinen der Bildungsgrad so-
wie familiäre Verpflichtungen keinerlei Einfluss auf berufliche
Mobilität zu haben.
Erkenntnisgewinn für die Praxis
Die Pfadabhängigkeit von Karrieren ist besonders bedeutsam,
wenn bereits vorhandenes Wissen oder Fertigkeiten aufgege-
ben werden sollen. Je mehr berufliche Fachkenntnis aufgebaut
wurde und je länger Personen in einem Beruf gearbeitet haben,
desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Beruf ge-
wechselt wird. Diese Erkenntnis könnte sich auch auf Wechsel
der beruflichen Position innerhalb eines Unternehmens über-
tragen lassen. Viele Unternehmen setzen für die Entwicklung
ihrer Mitarbeiter verstärkt auf Karrieremodelle mit Wechseln
der beruflichen Position, wobei diese Wechsel nicht direkt an
Beförderungen oder Gehaltserhöhungen gekoppelt sind. Durch
die Pfadabhängigkeit in Karrieren und die positiven Rückmel-
dungen auf einer bestimmten Position kann es für Mitarbeiter
erstrebenswerter sein, auf dieser Position zu verharren, als
sich durch den Wechsel auf eine andere Position weiterzuent-
wickeln. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn keine
konkreten Anreize für einen Wechsel der beruflichen Position
vom Unternehmen in Aussicht gestellt werden. Unternehmen,
welche auf einen Austausch von Wissen zwischen Standorten
oder Abteilungen angewiesen sind, sollten sich deshalb über
die Mechanismen, welche Mitarbeiter auf ihrer beruflichen
Position halten, im Klaren sein. Die persönliche Entwicklung
des Mitarbeiters durch einen Wechsel der beruflichen Position
sollte deshalb immer explizit betont werden, ebenso wie die
Aussicht darauf, bereits vorhandenes Wissen und Fertigkeiten
auch auf einer neuen beruflichen Position weiterhin nutzbrin-
gend einsetzen zu können.
Die Erkenntnis, dass berufliche Mobilität im Laufe der Kar-
riere abnimmt, ist auch für die Karriereberatung interessant.
Karriereberater sollten ihre Klienten darauf aufmerksam ma-
chen, dass sie sich bei mangelnder Arbeitszufriedenheit gut
überlegen sollten, ob diese ihrem Beruf oder ihrem Arbeitsum-
feld geschuldet ist. Bei andauernder Unzufriedenheit bei der
Arbeit werden viele Menschen erst einmal versuchen, auf ih-
rem bereits bestehenden Wissen und ihren vorhandenen Fer-
tigkeiten aufzubauen. Das Ziel wäre somit, sich noch weiter zu
spezialisieren, um weitere Aufgaben oder mehr Autonomie zu
erhalten, oder gegebenenfalls das Unternehmen zu wechseln.
Sofern die Unzufriedenheit jedoch eigentlich durch den Beruf
selbst verursacht wird, vertieft eine weitere Spezialisierung
bzw. ein Verbleiben im Beruf noch weiter die Festlegung auf
den eingeschlagenen Karrierepfad. Berufserfahrung führt so-
mit zwar zu positiver Verstärkung in Form von höheremGehalt
oder Erfolgserlebnissen durch berufliche Fachkenntnis, erhöht
jedoch auch die Kosten, die ein Berufswechsel mit sich bringt.
Zugleich führt jedoch eine hohe berufliche Mobilität dazu, dass
die Person sich auf keinen beruflichen Karrierepfad festlegt.
Dadurch kann es geschehen, dass der Punkt, an dem man im
Beruf diejenigen Erfolge erfährt, welche nur mithilfe von be-
rufsspezifischemHumankapital erreicht werden können, nicht
erreicht wird.
Eine weitere Implikation für Unternehmen ergibt sich aus
der Einsicht, dass Frauen seltener den Beruf wechseln als
Männer. Deshalb könnte es sein, dass berufliche Wechsel hin
zu Berufen, welche in der Industrie oder im Unternehmen
benötigt würden, seltener von Frauen vollzogen werden. Je-
doch liegt der Grund für die geringere berufliche Mobilität von
Frauen wahrscheinlich nicht unbedingt darin begründet, dass
sie bessere initiale berufliche Entscheidungen treffen. Die ge-
ringere berufliche Mobilität ist eher den erwarteten Hinder-
nissen auf dem Karrierepfad geschuldet (Barnett et al., 2003;
Hoobler et al., 2009), welche Frauen dazu bringt, in einem
Beruf zu verbleiben, um dort ein Maximum an berufsspezi-
fischem Humankapital zu sammeln. Insgesamt bessere beruf-
liche Karrieremöglichkeiten für Frauen zu schaffen, könnte
jedoch dafür sorgen, dass Unternehmen berufliche Positionen
auch eher durch Umschulung der weiblichen Belegschaft be-
setzen können.
1...,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43 45,46,47,48,49,50,51,52,53,54,...60
Powered by FlippingBook