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PERSONALquarterly 02/19
NEUE FORSCHUNG
_BERUFLICHE MOBILITÄT
scheidungen spielen Erwartungen bezüglich der Karriere-
entwicklung eine Rolle. Viele Frauen befürchten vor allem
zu Anfang ihrer Karriere Schwierigkeiten für ihr berufliches
Fortkommen durch die Geburt eines Kindes (Barnett/Gareis/
James/Steele, 2003) oder durch Vorurteile von Vorgesetzten
(Hoobler/Wayne/Lemmon, 2009). Folglich wird angenommen,
dass Frauen seltener den Beruf wechseln als Männer, da sie
sich für ihr berufliches Weiterkommen noch mehr auf berufs-
spezifisches Humankapital verlassen müssen.
Methode und Ergebnisse der Studie
Diese Annahmen wurden anhand einer Stichprobe aus dem
deutschen Sozio-oekonomischen Panel (Wagner/Frick/
Schupp, 2007) überprüft. In diesem wird seit 1984 jedes Jahr
eine repräsentative Personengruppe zu Arbeit, Persönlichkeit
und Gesundheit befragt. Von Interesse in dieser Studie waren
insbesondere der ausgeübte Beruf und das Geschlecht der Per-
sonen sowie Kontrollvariablen wie Industriesektor, Alter, An-
zahl von Kindern oder Bildung. Berufliche Karrieren wurden
für die Analyse als Sequenz von Berufen zusammengesetzt,
also als Aneinanderreihung der ausgeübten Berufe in jedem
Jahr (vgl. Beispiel Abb. 2).
Betrachtet wurden die ersten 15 Jahre nach Beendigung
der schulischen oder beruflichen Ausbildung bzw. nach Be-
endigung des Studiums. Der Eintritt ins Berufsleben, also
der Beginn der beruflichen Sequenzen, lag für alle Personen
zwischen den Jahren 1984 und 1999. Letztendlich waren es
456 Personen (293 Männer und 163 Frauen), für die 15 Jah-
re aufeinanderfolgender beruflicher Informationen nach dem
Eintritt ins Berufsleben vorlagen. Der Start ins Berufsleben
wurde aus dem Grund als Anfang der Karrieresequenz festge-
legt, um die Karriereverläufe miteinander vergleichen zu kön-
nen. Die Karrieresequenzen bestanden aus Berufen, welche
mit der „International Standard Classification of Occupations“
der Weltarbeitsorganisation codiert waren. Insgesamt können
390 verschiedene Berufe unterschieden werden, von diesen
wurden 196 von den Personen in der Stichprobe ausgeübt.
Fehlende berufliche Informationen waren für maximal ein Jahr
erlaubt und bildeten eine eigene Kategorie.
Um die Forschungsfragen zu untersuchen, wurde die Karrie-
resequenz jeder Person zunächst in jeweils drei Teilsequenzen
von fünf Jahren Länge aufgeteilt. Für jede dieser Teilsequenzen
wurde im Folgenden eine spezielle Kennzahl, die „Turbulenz“,
berechnet (für Details zu diesemMaß sowie die genaue Berech-
nung siehe Elzinga/Liefbroer, 2007). Dieses Maß eignet sich
für die Erfassung beruflicher Mobilität besonders gut. Es wird
nicht nur die Anzahl der Wechsel von Jahr zu Jahr betrachtet,
sondern auch die Zahl der unterschiedlichen Berufe in einem
bestimmten Zeitraum sowie die Verweildauer in jedem Beruf.
Die berufliche Turbulenz hat als Minimum für jede Person
einen Wert von 1. Die maximale Turbulenz in einer Sequenz
mit fünf Elementen, also in unserem Fall eine Sequenz mit
fünf Jahren Länge, beträgt 5. Im Beispiel in Abbildung 2 hätte
Person A eine berufliche Turbulenz von 1, Person B hätte eine
berufliche Turbulenz von 3.6, und Person C hätte eine beruf-
liche Turbulenz von 3.8. Sowohl Person B als auch Person C
haben in drei aufeinanderfolgenden Jahren den Beruf gewech-
selt, doch Person C hat drei unterschiedliche Berufe ausgeübt,
während Person B nur insgesamt zwei unterschiedliche Berufe
ausgeübt hat. Durch die Codierung der Berufe nach der „Inter-
national Standard Classification of Occupations“ war sicher-
gestellt, dass für jeden codierten Beruf grundlegend andere
Fertigkeiten und Wissen benötigt wurden.
Nach der Berechnung der beruflichen Turbulenz für jede
Person für das 1. bis 5. Jahr, das 6. bis 10. Jahr und das 11. bis
15. Jahr nach dem Eintritt ins Berufsleben wurden die eingangs
getroffenen Annahmen geprüft. Zunächst wurde ein Wachs-
tumskurvenmodell herangezogen, um festzustellen, ob es über
die Zeit zu einer Verringerung der beruflichen Turbulenz, also
zu einer Verringerung der beruflichen Mobilität, gekommen
Quelle: Eigene Darstellung
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
A Informatikerin
Informatikerin
Informatikerin
Informatikerin
Informatikerin
B Bürokauffrau
Bürokauffrau
Gärtnerin
Bürokauffrau
Gärtnerin
C Landwirt
Landwirt
Feinmechaniker
Landwirt
Kellner
Abb. 2:
Beispiele beruflicher Karrieresequenzen für drei Personen über fünf Jahre
1...,32,33,34,35,36,37,38,39,40,41 43,44,45,46,47,48,49,50,51,52,...60
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