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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 01/18
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erausfordernde aber erreichbare Ziele gelten als
Instrument zur Steigerung individueller Motivati-
on und Leistung. Dies wird von manchen auf sog.
„Stretch Goals“ – extrem schwierige, nur von we-
nigen zu erreichende Ziele in komplexen Situationen – gene-
ralisiert. Das Argument: Moderate Ziele erfordern lediglich
inkrementelle Verbesserungen existierender Strategien und
Routinen; Stretch Goals hingegen zwingen dazu, über diese
hinauszugehen – wenn auch mit hohem Risiko zu scheitern.
Was passiert jedoch mit dem Commitment zu einem Stretch
Goal, wenn die tatsächliche Leistung (zunächst) hinter der
vorgegebenen Leistung zurückbleibt? Dies untersuchten Gary
und Kollegen auf Basis eines computerbasierten Unternehmens-
planspiels, bei dem die Zielvorgabe variiert wurde und die Ziel-
größe, die Unternehmensleistung nach zehn „Geschäftsjahren“,
ausschließlich von den Entscheidungen der Studienteilnehmer
abhing. Entgegen der intuitiven Erwartung war die durchschnitt-
lich erzielte Unternehmensleistung bei einem Stretch Goal (min.
Unternehmensleistung der besten 10% der TN) nicht höher als
bei einem Moderate Goal (max. Unternehmensleistung der
schlechtesten 10%). Aus Sicht eines Investors wäre das Stretch
Goal trotz derselben durchschnittlich erzielten Unternehmens-
leistung im Vergleich zum Moderate Goal sogar von Nachteil,
weil die Varianz in der Unternehmensleistung höher ist – viele
TN mit vergleichsweise niedriger Unternehmensleistung ste-
hen sehr wenigen mit sehr hoher gegenüber. Allerdings hat das
Stretch Goal tatsächlich zu radikaleren Strategiewechseln ge-
führt. Für die Personalpraxis relevant sind Stretch Goals bspw.
zur Identifikation von High Potentials: Stretch Goals produzie-
ren eine größere Varianz in der Leistung und regen zu radika-
leren Strategie- und Routineänderungen an. Auf der anderen
Seite steht die Frage, ob man in Kauf nehmen möchte, dass
die meisten Mitarbeiter im Laufe der Zeit das Commitment zu
einem Stretch Goal verlieren und ihre internen Leistungsstan-
dards sukzessive an ihre tatsächliche Leistung anpassen – mit
der Gefahr, dass ihre Risikobereitschaft immer weiter abnimmt
und sie nur noch inkrementelle Verbesserungen wagen.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs
, Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
Herausforderung vs.
Überforderung
M. S. Gary
(University of New South Wales),
M. M. Yang
(Curtin
University),
P. W. Yetton
(Deakin University), &
J. D. Sterman
(Massachusetts Institute of Technology): Stretch Goals and
the Distribution of Organizational Performance. Organization
Science, 2017, Vol. 28, No. 3, 395-410.
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m Allgemeinen gilt Intelligenz als Garant für Erfolg in
den verschiedensten Lebensbereichen – je klüger, desto
besser. Die Forscher Antonakis, House und Simonton
sind in ihrer aktuellen Studie der Frage nachgegangen,
ob dies auch für die Intelligenz von Managern der Fall ist,
oder ob ein zu hoher IQ auch nachteilig sein könnte. Speziell
untersuchten sie den Zusammenhang zwischen der Intelligenz
von Führungskräften im mittleren Management und ihrer
Führungseffektivität anhand einer Reihe von gängigen Füh-
rungsstilen (u.a. transformationale Führung). Dabei bezogen
sie sich auf die Annahme, dass die „ideale“ Intelligenz einer
Führungskraft an der jeweiligen Gruppe orientiert sein und
1.2 Standardabweichungen über der mittleren Intelligenz der
Gruppenmitglieder liegen sollte. Wenn die Gruppenmitglieder
z.B. einen durchschnittlichen IQ von 100 hätten, sollte die Füh-
rungskraft einen IQ von ca. 119 aufweisen.
Die Stichprobe setzte sich aus insgesamt 379 Führungskräf-
ten aus sechs multinationalen Unternehmen zusammen. Das
Führungsverhalten wurde extern, zumeist von den direkten
Mitarbeitern, eingeschätzt (insgesamt über 2.900 Einschät-
zungen). Darüber hinaus erhoben und berücksichtigten die
Autoren eine Reihe zentraler Kontrollvariablen wie Alter, Ge-
schlecht und Persönlichkeit. Die Ergebnisse zeigten in der Tat
einen invertiert U-förmigen Zusammenhang zwischen Intelli-
genz und Führungsverhalten. Führungskräfte wurden dann am
effektivsten eingeschätzt, wenn ihr IQ bei ungefähr 120 lag. Bei
höheren Werten wurde der Zusammenhang dagegen negativ.
Die Autoren begründen die Ergebnisse damit, dass über-
durchschnittlich intelligente Führungskräfte Probleme und
Lösungen besser identifizieren und zielführender kommuni-
zieren könnten. Zu hohe Intelligenzwerte führten jedoch dazu,
dass die Mitarbeiter der (zu) komplexen Kommunikation ihrer
Führungskraft schlechter folgen und sich schwer mit ihrer
Führungskraft identifizieren könnten. Im Endeffekt kommt es
also auf die Passung zwischen Führungskraft und Gruppe an.
Besprochen von
Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-,
Organisations- und Sozialpsychologie, Technische Universität
Braunschweig
Können Führungskräfte
einen zu hohen IQ haben?
J. Antonakis
(University of Lausanne),
R. J. House
(University
of Pennsylvania) &
D. K. Simonton
(University of California,
Davis): Can super smart leaders suffer from too much of a
good thing? The curvilinear effect of intelligence on perceived
leadership behavior. Journal of Applied Psychology, 2017, Vol.
102, pp. 1103-1021.