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_DIE FAKTEN HINTER DER SCHLAGZEILE
PERSONALquarterly 01/18
W
ieder einmal haben sich die Zahlenfreunde der
„Unstatistik des Monats“ bewegende Schlagzeilen
vorgenommen. Diesmal geht es ums Joggen. Ob
Augsburger Allgemeine, Freundin oder Runner‘s
orld, die Journalisten griffen die US-Untersuchung „Running
as a Key Lifestyle Medicine for Longevity“ des Forscherteams
um Professor Duck-chul Lee an der Iowa State University auf.
Allerdings verkürzten sie stark, um zu Schlagzeilen zu kommen
wie „Jede Stunde Laufen schenkt dir 7 Stunden Lebenszeit!“
er „Deutlich mehr Lebenszeit durch Joggen“
was vorsichtiger und damit gleich näher
am realen Forschungsergebnis bleiben die Wissenschaftsjour-
nalisten der Augsburger Allgemeinen: „Wer ab und zu joggen
geht, lebt bis zu drei Jahre länger“, heißt dort die Schlagzeile.
Joggen schlägt in dieser US-Studie Radfahren, Schwimmen,
Gehen und jeden anderen Sport um Längen. Allerdings wur-
den dort lediglich die durchschnittlichen zwei Stunden Joggen
pro Woche berücksichtigt, die die Teilnehmer in der Selbstein-
schätzung angaben. Die Wissenschaftler machen auch klar,
dass der Nutzen des Laufens abnimmt, je länger man pro Tag
joggt. Sich viele Jahre Lebenszeit zu erlaufen, wird da eher zum
Mythos als zur realen Chance.
Im Berufsleben hat Sport eine Pufferfunktion
Für Klaus Bös geht es ohnehin weniger darum, wie alt ein
Mensch wird, als darum, wie die Menschen alt werden. Mög-
lichst gesund nämlich. „Für Erwachsene geht es um den Erhalt
der Gesundheit und um Fitness“, sagt der Professor für Sport-
wissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Er stellt die zentrale Frage danach, welcher Sport für wen und
für was nützlich ist. Dafür untersucht der Sportwissenschaft-
ler in einer Langzeitstudie „Gesundheit und Bewegung“ seit
25 Jahren 500 Einwohner zwischen 35 und 80 Jahren in dem
Örtchen Bad Schönborn nahe Karlsruhe – und zwar sportlich
Aktive ebenso wie Stubenhocker. Nach der fünften Befragungs-
und Untersuchungswelle, deren Ergebnisse im Spätsommer
2017 veröffentlicht wurden, differenziert Professor Bös: „Die
genetische Disposition spielt ebenso eine Rolle wie die Bewe-
gung.“ Eindeutig, so die Studienergebnisse, hält Bewegung mo-
torisch jung – bis zu zehn Jahre jünger wirkten die sportiven
Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst weit mehr als Fitnessgruppen und
Fußballtraining. Die Bewegung am Arbeitsplatz rückt stärker in den Mittelpunkt.
Sport richtig dosieren
Teilnehmer im Vergleich zu den untrainierten, das zeigen die
Testwerte. Außerdem schützt körperliche Aktivität gegen Herz-
Kreislauf-Erkrankungen, beugt Demenz vor, hilft bei Depres-
sionen und befördert den Genesungsprozess nach schweren
Erkrankungen.
Auch für die Arbeitswelt hält die KIT-Langzeitstudie Ergeb-
nisse bereit. Denn im Berufsleben hat Sport eine Pufferfunk-
tion. „Sporttreibende tolerieren Berufsbelastungen besser“,
sagt Bös. Allerdings gilt es, seine persönlichen Grenzen aus-
zuloten. „Nicht generell, aber in etlichen Fällen gibt es einen
Zusammenhang zwischen zu viel Ehrgeiz im Beruf und über-
triebenem Ehrgeiz im Sport“, beschreibt der Sportprofessor ein
Detail, das ihn auf das wichtige Thema Dosierung bringt. Denn
Sport ist nicht per se gesund. Unfallrisiken beim Radeln, über-
forderte Muskulatur beim Joggen, überdehnte Sehnen bei der
Gymnastik beschäftigen Ärzte und Physiotherapeuten. „Sport
lässt sich wie ein Medikament dosieren“, erklärt Klaus Bös.
„Das reicht von wirkungslos über optimal bis giftig.“ Alter
und körperliche Fitness sind nur zwei Faktoren, die darüber
entscheiden, ob einer für seine gute Gesundheit spazieren ge-
hen oder einen Marathon laufen sollte. Unterstützung bei der
Entscheidung über Sportart und Trainingsmaß zu finden, ist
kein Zauberwerk. Dazu Sportprofessor Bös: „Wir Sportwissen-
schaftler haben Methoden herauszufinden und dahingehend
zu beraten, welche Dosis gut für einen Menschen ist – genauso
wie Ärzte in ihrem Gebiet.“
Wo immer Menschen unterschiedlicher Fitness und Kon-
dition gemeinsam angesprochen werden, sind sanfte Be-
wegungseinheiten von Vorteil. Angebote des Betrieblichen
Gesundheitsmanagements (BGM) sollten sich nicht nur an
Sportbegeisterte richten, die ohnehin bewegt unterwegs sind.
„Wenn Unternehmen ein BGM-Programm auflegen, sind Wan-
derteams gesundheitlich wertvoller, auch wenn Marathon-
teams sicher interessanter sind“, meint Klaus Bös. Nach dem
BGM-Start können sich immer noch Interessengruppen he-
rausbilden, die es auf längere und schnellere Strecken zieht.
Spaß machen kann aber auch die Erfahrung, kleine Schritte
zu schaffen.
Damit kommt er der Argumentation seines Kölner Kollegen
Ingo Froböse sehr nah. Der Universitätsprofessor leitet an der
Ruth Lemmer
, Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg