PERSONALquarterly 1/2018 - page 54

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 01/18
O
bwohl Lücken im Lebenslauf ein populäres Aus-
wahlkriterium in der Personalauswahl darstellen,
ist wenig über ihre tatsächliche Aussagekraft be-
kannt. Um festzustellen, ob und inwieweit Lücken
im Lebenslauf als Indikator für Berufserfolg herangezogen
werden können, führten Frank, Wach und Kanning eine explo-
rative Studie mit 2.225 Teilnehmenden durch. Die AutorInnen
erfassten sowohl die Dauer (eine Lücke entsprach mindestens
der Dauer von vier Wochen) als auch den Grund für die Lücke.
Als objektive Berufserfolgskriterien dienten die Entwicklung
und Höhe des Einkommens, die Anzahl der Beförderungen und
die erreichte Hierarchiestufe. Zusätzlich schätzten die Teilneh-
menden ihren globalen subjektiven Berufserfolg ein und gaben
an, inwieweit sie ihre beruflichen Ziele erreicht haben. Als
Kontrollvariablen wurden Geschlecht, Alter, Ausbildungsgrad
und sozial erwünschtes Antwortverhalten berücksichtigt.
Es zeigten sich signifikante negative Zusammenhänge zwi-
schen der Lückendauer und allen Kriterien des Berufserfolgs.
Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass diese Effekte ins-
gesamt als sehr gering einzuschätzen sind. In einem zweiten
Schritt untersuchten die AutorInnen den jeweiligen Grund für
die Lücke: Krankheit, Kinder, Wartezeit, Reise, freiwillige und
unfreiwillige Arbeitslosigkeit, Pflege einer nahestehenden Per-
son, Abbruch Ausbildung/Studium oder Sonstiges. Hervorzu-
heben sind zwei zentrale Ergebnisse: Ist der Grund für die
Lücke in einer Reise begründet, so fanden sich keine negativen
Zusammenhänge zum Berufserfolg. Das Gegenteil war der Fall,
wenn es sich um eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit handelte.
Für die Praxis der Personalauswahl ist es daher nicht zu
empfehlen, BewerberInnen nur aufgrund einer oder mehre-
rer Lücken im Lebenslauf die Einladung zum Vorstellungsge-
spräch oder Assessment Center zu verwehren. Entgegen der
populären Annahme scheint der Berufserfolg hauptsächlich
durch andere Faktoren als durch Lücken im Lebenslauf er-
klärt zu werden. Falls dennoch Lücken im Lebenslauf als Be-
wertungskriterium herangezogen werden, ist es ratsam, den
Grund für das Entstehen der Lücken genauer zu analysieren.
Besprochen von
Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-,
Organisations- und Sozialpsychologie, Technische Universität
Braunschweig
Was Lücken im Lebenslauf
tatsächlich aussagen
F. Frank
&
D. Wach
(Technische Universität Dresden),
U. P.
Kanning
(Hochschule Osnabrück): Zusammenhang zwischen
Lücken im Lebenslauf und Berufserfolg. Zeitschrift für Arbeits-
und Organisationspsychologie, 2017, Vol. 61, pp. 69–80.
Z
ahlreiche Studien konnten in der Vergangenheit zei-
gen, dass attraktive Personen in vielen Lebensbe-
reichen einen Vorteil haben: Sie finden z.B. leichter
eine/n Partner/in, werden als vertrauenswürdiger ein-
geschätzt und verdienen imDurchschnitt mehr Geld als weniger
attraktive Personen. Dabei ist noch unklar, was die tatsächliche
Ursache für den Zusammenhang zwischen Attraktivität und
Einkommen ist. Kanazawa und Still haben sich daher zum Ziel
gesetzt, verschiedene Erklärungsansätze gegeneinander zu tes­
ten. Sie werteten Daten einer U.S.-amerikanischen Panelstudie
mit über 15.000 Personen aus. Die erste Erhebung fand im
Jahr 1994 statt, als die Befragten im Durchschnitt 16 Jahre alt
waren. Zum Zeitpunkt der letzten und vierten Erhebungswelle,
als auch das Einkommen erhoben wurde, waren die Befragten
im Durchschnitt 29 Jahre alt. Zu jedem Erhebungszeitpunkt
wurde die Attraktivität der Befragten auf einer Skala von 1 (sehr
unattraktiv) bis 5 (sehr attraktiv) eingeschätzt.
Der bisher gefundene positive Zusammenhang zwischen At-
traktivität und Einkommen ließ sich nur auf den ersten Blick
replizieren. Eine genauere Analyse der Daten zeigte, dass
attraktivere Personen im Durchschnitt intelligenter und ge-
sünder sind und „bessere“ Persönlichkeitseigenschaften mit-
bringen. Sie sind extrovertierter, gewissenhafter und weniger
neurotisch. Diese individuellen positiven Eigenschaften führen
im Endeffekt zu höheren Einkommen. Darüber hinaus sind
die AutorInnen auf ein gänzlich unerwartetes Muster gesto-
ßen: Personen, die als sehr unattraktiv eingeschätzt wurden
(weniger als 3% aller Befragten), verdienten immer mehr als
unattraktive Personen und teils sogar mehr als attraktive. Die
AutorInnen tauften diesen Effekt „ugliness premium“. Beson-
ders unattraktive Personen verfügten in der vorliegenden Stu-
die in der Regel über eine bessere Ausbildung und eine höhere
Intelligenz. Es ist jedoch unklar, weshalb dies der Fall ist.
Zusammenfassend verdeutlichen die Ergebnisse, dass der
Effekt von Attraktivität auf Einkommen nicht auf der Attrakti-
vität an und für sich beruht, sondern auf individuellen Merk-
malen, die in Zusammenhang mit Attraktivität stehen.
Besprochen von
Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-,
Organisations- und Sozialpsychologie, Technische Universität
Braunschweig
Zahlt es sich aus, attraktiv
zu sein?
S. Kanazawa
(London School of Economics and Political
Science) &
M. C. Still
(University of Massachusetts in Boston):
Is there really a beauty premium or an ugliness penalty on
earnings? Journal of Business and Psychology, 2017, pp. 1-14.
1...,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53 55,56,57,58,59,60,61,62
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