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Deutschen Sporthochschule Köln das Institut für Bewegungs-
orientierte Präventions- und Rehabilitationswissenschaften.
Viele seiner Studien beweisen, dass Sport die Fitness erhöht
und den Stress mindert. Selbst erfolgreicher Leistungssportler
im 100- und 200-Meter-Sprint, engagiert er sich deshalb seit
vielen Jahren dafür, Menschen zum Sport zu bewegen, um
ihre Gesundheit zu erhalten und zu verbessern. Auch heute
noch favorisiert der Sportprofessor Fitnesstrainings, die Kraft,
Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit fördern. Aber ihm
ist durch seine Forschungserfahrung klar geworden, dass er
nur eine Minderheit erreicht. „75 Prozent der Deutschen trei-
ben keinen Sport“, so Froböse, „sie sind untrainiert, haben
die Voraussetzungen nicht oder Angst, die sportliche Leistung
nicht zu schaffen.“ Und selbst wenn Menschen drei Stunden
pro Woche sportlich unterwegs sind, bleiben sie 165 Stunden
inaktiv – sei es im Büro, sei es zu Hause. Deshalb entwickelt
der Gesundheitsexperte inzwischen Konzepte für Sportverwei-
gerer. Sein Credo: „Jede Bewegung hilft.“
Die Arbeitswelt ist zum Sitzplaneten mutiert
Die Arbeitswelt hat Ingo Froböse als besonderes Risiko ausge-
macht. Denn Bewegung wird auf diesem „Sitzplaneten“, wie er
sie nennt, vermieden. Vermeintlich um die Effizienz zu stei-
gern, sind die Wege kurz. Den Schreibtisch verlässt man kaum.
„Und die Schreibtischstühle, entwickelt von guten deutschen
Ingenieuren, sind wie ein Korsett“, so der Bewegungsspezi-
alist. „Auf einer Bierbank würde man sich mehr bewegen.“
Was wie ein Scherz klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Das
Skelett wird durch falsch eingestellte Bürostühle und zu wenig
Bewegung während der Arbeit nachweislich erheblich belastet.
Jede Stunde eine kurze Sitzunterbrechung, um den Körper
mit kleineren Schwingungen wieder aufzurichten, verändert
messbar Herzfrequenz, Blutdruck, Körperrhythmus – und er-
höht schnell und effektiv Fitness und Leistungsfähigkeit. Für
die Prävention, so der Sportprofessor, „muss man die Räume
anders gestalten und neue Wege gehen“. Zum Beispiel durch
das Treppenhaus. „Diese Trainingsstätte ist mir die liebste“,
sagt Ingo Froböse.
Utz Niklas Walter hat schon Flyer über den Mehrwert des
Treppensteigens in Firmenaufzügen auslegen lassen. Für
den Sport- und Gesundheitswissenschaftler ist die Nähe zum
Arbeitsalltag entscheidend, wenn betriebliche Gesundheits-
förderung (BGF) erfolgreich sein soll: „Es ist ein unglaublich
anspruchsvolles Thema, eine Belegschaft in Bewegung zu brin-
gen. Man muss Rückschläge einkalkulieren, darf nicht aufge-
ben und muss immer wieder kreative Einzelaktionen starten.“
Der Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung
(IFBG), einer Ausgründung von Wissenschaftlern der Univer-
sitäten Konstanz, München (TU) und Karlsruhe (KIT), hat im
Frühjahr gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse und der
Haufe Gruppe geforscht. Die Studie „#whatsnext – Gesund
arbeiten in der digitalen Arbeitswelt“ zeigt zum Beispiel auf,
dass Führungskräfte mehr Einfluss auf die Gesundheit der
Beschäftigten haben als die Budgethöhe – und dass Vorgesetzte
häufig auf der Bremse stehen.
Walter setzt auf ungewöhnliche Methoden gegen die Be-
wegungsmüdigkeit, solche, die Spaß machen, aber auch
langfristige Veränderungen bewirken sollen. Er macht Über-
raschungsbesuche direkt am Arbeitsplatz und choreografiert
Gesundheits-Flashmobs in Werkshallen: Geschäftsführung,
BGM-Beauftragte, Trainer und Betriebsräte lassen die Bänder
anhalten, führen Übungen vor und fordern die Beschäftigten
zum Mitmachen auf. Bei jüngeren und technikaffinen, meist
männlichen Mitarbeitern kommen Gesundheits-Apps, -Portale
und Wearables gut an. Schrittzähler am Handgelenk, elektro-
nische Übungsleiter, aber auch interaktiver Austausch halten
diese Zielgruppe aufmerksam – und fördern die Bewegung.
Über allem steht der Leitsatz: Trainingsmonotonie ist tödlich.
V.l.n.r.: Klaus Bös (Karlsruher Institut für Technologie), Ingo Froböse (Institut für Bewegungsorientierte Präventions-
und Rehabilitationswissenschaften), Utz Niklas Walter (Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung)
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