PERSONALquarterly 4/2017 - page 18

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PERSONALquarterly 04/17
SCHWERPUNKT
_REKRUTIERUNG
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Wir untersuchen, ob das Angebot familienfreundlicher Personalpraktiken
oder die Präsenz von Frauen in der Geschäftsführung als Rollenmodelle Einfluss auf die
Bewerbungsabsicht weiblicher Nachwuchskräfte haben und welche Rolle geschlechter­
stereotype Darstellungen dabei spielen.
Methodik:
Zwei experimentelle Vignetten-Studien
1
.
Praktische Implikationen:
Unternehmen sollten geschlechterstereotype Darstellungen
vermeiden, wenn sie weibliche Nachwuchskräfte durch familienfreundliche Personalprak­
tiken oder weibliche Rollenmodelle attrahieren wollen.
zu bewerben. Der Ausschnitt aus der Karriere-Homepage war
realen Unternehmenswebseiten nachempfunden und enthielt
Informationen über flexible Arbeitszeitmodelle und Kinder-
betreuung als wesentliche Elemente einer familienfreund-
lichen Personalpolitik. Diese Informationen wurden ergänzt
um eine persönliche Aussage zur Vereinbarkeit von Familie
und Beruf in diesem Unternehmen, wobei wir die Aussage
einmal einer Mutter (Szenario 2) und einmal einem Vater
(Szena​rio 3) zugeordnet haben. Konkret wurde im zweiten
Szenario die Aussage einer Frau präsentiert, die auf einem
Foto mit ihrem kleinen Kind am Laptop sitzend dargestellt
wurde. Im dritten Szenario wurde dieselbe Aussage präsen-
tiert, allerdings von einem Mann, der mit seinem kleinen
Kind am Laptop sitzend abgebildet war. Das zweite Szenario
signalisiert damit eher ein stereotypes Geschlechterrollenver-
ständnis, demzufolge insbesondere Mütter einen Rollenkon-
flikt zwischen familiären und beruflichen Verpflichtungen
erleben. Das dritte Szenario bricht mit diesem stereotypen
Rollenbild, indem es einen Vater präsentiert, der sich dem
Konflikt zwischen Familie und Beruf ausgesetzt sieht.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Bewerbungsneigung
männlicher und weiblicher Absolventen höher ist, wenn das
Unternehmen mit familienfreundlichen Personalpraktiken
wirbt (vgl. Abb. 1). Für männliche Absolventen macht es da-
bei keinen Unterschied, ob das Angebot familienfreundlicher
HR-Praktiken mit einer Frau oder einem Mann als Referenz
präsentiert wird. Weibliche Absolventen zeigen jedoch eine
besonders hohe Bewerbungsneigung, wenn die familien-
freundlichen HR-Praktiken mit einem Vater als Referenz be-
worben werden.
Die Unterscheidung zwischen einer stereotypen Darstellung
(arbeitende Mutter mit Kind) und einer nicht stereotypen Dar-
stellung (arbeitender Vater mit Kind) ist unseren Ergebnissen
zufolge insbesondere für sehr leistungsmotivierte Studen-
tinnen relevant. Differenziert man die Studentinnen bezüglich
ihrer Leistungsmotivation, also der Stärke des Bedürfnisses,
nach Leistung und Erfolg zu streben (McClelland, 1965), so
zeigt sich, dass die Bewerbungsneigung der besonders Leis­
tungsmotivierten tendenziell höher ist, wenn die familien-
freundlichen HR-Praktiken mit einem Vater statt mit einer
Mutter als Referenz präsentiert werden, wohingegen es für die
weniger leistungsmotivierten Studentinnen ebenso wie für die
männlichen Studierenden keinen Unterschied macht, ob das
Angebot mit einem Vater oder einer Mutter beworben wird (vgl.
Abb. 2).
Die Ergebnisse suggerieren, dass insbesondere leistungs-
motivierte Studentinnen eher geneigt sind, sich bei einem
Unternehmen zu bewerben, wenn es familienfreundliche
HR-Praktiken offeriert, indem es mit stereotypen Geschlech-
terrollen bricht. Damit signalisiert das Unternehmen, dass es
die Balance zwischen Familie und Beruf nicht als frauenspezi-
fisches Thema versteht. Eine solche gender-neutrale Haltung
wird offenbar insbesondere von leistungsorientierten Frauen
geschätzt, die sich über ihre Leistung und weniger über ihre
Geschlechterrolle definieren, wie andere Studien zeigen (Göd-
dertz u.a., 2015).
Die Präsenz von Frauen in der Geschäftsführung: Leiterin
Personal oder Leiterin Controlling?
Das Fehlen weiblicher Rollenmodelle wird häufig als eine Ur-
sache dafür angeführt, dass Frauen sich nicht für eine Kar-
riere in männerdominierten Branchen entscheiden. In einer
zweiten Studie sind wir daher der Frage nachgegangen, ob
die Präsenz weiblicher Führungskräfte Einfluss auf die Be-
werbungsneigung weiblicher Absolventen hat. Die Präsenz
(bzw. die Abwesenheit) von Frauen in der Geschäftsführung
fungiert möglicherweise als Signal dafür, inwiefern Personal-
praktiken leistungsgerecht und geschlechtsneutral sind (Bear
u.a., 2010). Leistungsgerechte und geschlechtsneutrale Per-
sonalpraktiken erhöhen erwartungsgemäß die Bewerbungs-
neigung weiblicher Absolventen, da diese sich eine faire Be-
handlung im Auswahlverfahren wünschen und sich stärker
mit einem Unternehmen identifizieren können, das Wert auf
Gleichberechtigung legt (Prooijen/Ellemers, 2015).
Im Rahmen dieser Studie haben 303 Studierende an einer
Onlinebefragung teilgenommen. Die Befragten waren im
Schnitt 23,6 Jahre alt und zu 64% weiblich. Sie studierten in
der Hälfte der Fälle Wirtschaftswissenschaften und zu 37% in
1 Anja Iseke und Kerstin Pull haben die zweite Studie gemeinsam durchgeführt. Laura Rosemeyer, M.
Sc. hat bei der Datenerhebung für die erste Studie mitgewirkt – ihr danken wir hiermit herzlich.
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