12
PERSONALquarterly 04/17
SCHWERPUNKT
_REKRUTIERUNG
harmonisch-modernen Stil dem traditionelleren, klassisch-
soliden Architekturstil vorziehen – und wie stark. Denn nur,
wenn der Architekturstil die Präferenz für einen bestimmten
Arbeitsplatz nennenswert beeinflusst, wäre Architektur ein
wichtiger Faktor im Employer Branding. Diese Frage wurde
durch eine Conjoint-Erhebung unter Studierenden, sprich po-
tenziellen Jobsuchenden, durchgeführt (Radermacher et al.,
2017). So konnte gemessen werden, auf wie viel Gehalt die
Studierenden verzichten würden, wenn sie in der harmonisch-
modernen Architektur statt der klassisch-soliden tätig sein
dürfen (Zahlungsbereitschaft).
In der Conjoint-Analyse wurden als Nutzen stiftende Merk-
male neben dem Architekturstil (mit den zwei genannten
Ausprägungen) drei weitere Arbeitgeber- bzw. Jobmerkmale
berücksichtigt, die vermutlich die größte Rolle bei Jobentschei-
dungen spielen (z.B. Chapman et al., 2005; Kabst & Baum, 2013):
die Höhe des Anfangsgehalts, Karrieremöglichkeiten und dasWei-
terbildungsangebot. Im Rahmen einer Online-Befragung wurden
Studierende mit zehn Jobszenarien konfrontiert, in denen jeweils
die vier genannten Merkmale variiert wurden. Die Jobszenarien
wurden in Form von fiktiven Stellenanzeigen dargestellt. In einem
Jobszenario wurde entweder die harmonisch-moderne Architek-
tur oder der klassisch-solide Stil präsentiert. Die Architekturstile
wurden dabei durch Fotos und verbale Beschreibungen präsen-
tiert. Gleichzeitig wurde das Anfangsgehalt in jedem Szenario
über drei verschiedene Stufen (36.000 €, 41.000 € oder 46.000 €)
variiert. Die Studierenden wurden dann aufgefordert, den einzel-
nen Jobszenarien Ränge zu geben, d.h. zu entscheiden, welches
Szenario ihnen am meisten zusagt (Rang 1) und welches am
wenigsten (Rang 10). Mithilfe der Ränge konnten im Folgenden
Regressionsanalysen gerechnet werden, über welche die Grenz-
nutzen für die einzelnen Merkmale ermittelt werden können.
Bei der Berechnung der Grenznutzen wurde nach verschiedenen
Personengruppen unterschieden. Neben Geschlecht und Studi-
engang wurden auch Alter und Berufserfahrung betrachtet. Alter
und Berufserfahrung wurden auch interagiert, weil unerfahrene
Bewerber oft unsicher darüber sind, nach welchen Arbeitgeber
eigenschaften sie Ausschau halten sollen, wie sie danach suchen
sollen und welche Eigenschaften für sie wirklich eine Rolle spie-
len (z.B. Collins & Stevens, 2002). Die Online-Befragung fand
im August 2014 statt. Von den 172 teilnehmenden Studierenden
waren 56% Frauen, 33% studierten Betriebs- oder Volkswirtschaft,
weitere 33% Ingenieurwissenschaften oder Informatik. Der Rest
verteilte sich auf unterschiedliche Studiengänge. Die meisten Stu-
dierenden (52%) waren zwischen 23 und 26 Jahre alt und 74%
gaben an, über erste Arbeitserfahrung zu verfügen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass Studierende
eine Präferenz für den harmonisch-modernen Architekturstil
haben. Die Zahlungsbereitschaft der Studierenden dafür, in
einem harmonisch-modernen Gebäude arbeiten zu können, lag
imDurchschnitt bei € 4.739 ihres jährlichen Starteinkommens.
Da das maximale Startgehalt € 46.000 betrug, entspricht der
durchschnittlich geschätzte Effekt gut 10% des Jahreseinkom-
mens. Ein Vergleich von zwei Jobszenarien veranschaulicht
besonders gut diesen Effekt (vgl. Abb. 3). Szenario 1 verbindet
den weniger präferierten klassisch-soliden Architekturstil mit
einem um € 5.000 höheren Einstiegsgehalt als in Szenario
2, dennoch ist das Nutzenniveau, das die Befragten angeben,
praktisch identisch.
Je nach Personengruppe fällt die Präferenz verschieden stark
aus (s. Abb. 4). So liegt die durchschnittliche Zahlungsbereit-
schaft bei Studierenden der Sozialwissenschaften bei 7.407 €
(16%) und bei Studierenden ohne Berufserfahrung bei 6.315 €
(14%). Bei Studierenden mit Berufserfahrung und einem Alter
> 26 ist der Effekt mit 1.851 € (4%) am geringsten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Architektur die Job-Präferenzen
junger Bewerber deutlich beeinflusst. Bewerber zeigen eine
starke Präferenz für die harmonisch-moderne Architektur. Ar-
chitektur scheint somit ein großes Potenzial im Hinblick auf
den Rekrutierungserfolg zu bergen, auch in der Ansprache
bestimmter Zielgruppen.
Basierend auf den Ergebnissen der Conjoint-Studie stellt
sich die Frage, wie genau die Architekturstile und Gebäude
auf potenzielle und aktuelle Beschäftigte wirken und welche
Zielsetzungen imRahmen des Employer Branding durch Archi-
tektur umgesetzt werden können. Vielen Arbeitgebern dürfte
das Potenzial, das sich in ihren Gebäuden im Hinblick auf das
Employer Branding steckt, noch gar nicht bewusst sein.
Unternehmensarchitektur wirkt als glaubhaftes Signal
Unternehmensarchitektur kann im Employer Branding eine
wichtige Rolle spielen, weil sie als glaubhaftes Signal an po-
tenzielle Beschäftigte wirkt. Beschäftigte können vor Aufnah-
me einer Tätigkeit von außen kaum abschätzen, wie attraktiv
Arbeitsplätze im Unternehmen tatsächlich sind. Arbeitgeber
versuchen, diese Informationsasymmetrie zu ihren Gunsten
zu nutzen, indem sie sich von anderen Arbeitgebern durch be-
stimmte glaubhafte Informationen differenzieren. Sie könnten
zum Beispiel betonen, dass die Beschäftigten durch einen Be-
triebsrat vertreten sind oder ein bestimmtes Wachstum in den
letzten Jahren erreicht haben. Für die Wissensarbeiter sind
jedoch oft auch weniger greifbare Merkmale wie eine hohe
Autonomie in der Tätigkeit und ein eher wenig hierarchisches
Arbeitsklima bedeutend. Diese Merkmale können durch die
Unternehmensarchitektur gut signalisiert werden, denn die
Unternehmensarchitektur erfüllt die drei Bedingungen, die ein
gutes Signal aus informationsökonomischer Sicht erfüllen muss
(Details bei Radermacher et al., 2017). Sie ist gut beobachtbar,
und zwar nicht nur direkt, sondern auch zum Beispiel über ver-
öffentlichte Bilder. Unternehmensarchitektur ist auch schwer
imitierbar von denjenigen Unternehmen, die nicht über die zu
signalisierenden Merkmale wie flache Hierarchien verfügen.