PERSONALquarterly 4/2017 - page 10

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PERSONALquarterly 04/17
SCHWERPUNKT
_REKRUTIERUNG
V
om Silicon Valley ausgehend revolutionieren Tech-
Unternehmen wie Google und Facebook derzeit die ar-
chitektonischen Arbeitswelten. Seitdem der ehemalige
Apple-CEO Steve Jobs 2011 ankündigte, das beste Büro-
gebäude der Welt bauen zu wollen, berichten auch die großen Ta-
geszeitungen in Deutschland regelmäßig über neue Bürowelten,
mit denen man vor allem junge Wissensarbeiter ansprechen
möchte. Dabei werden unter Wissensarbeit Aufgaben verstan-
den, die aufgrund ihrer Komplexität und/oder Neuartigkeit den
kontinuierlichen Erwerb, die Entwicklung und Integration neuen
Wissens in den jeweiligen Arbeitskontext erfordern. Jedoch sehen
nicht alle Bürowelten aus wie Spielplätze oder Wohnzimmer –
vielmehr scheinen sich verschiedene Formen der neuen Unter-
nehmensarchitektur herauszubilden. Allen scheint gemeinsam
zu sein, dass man attraktiv sein möchte – für Kunden, für die
Gesellschaft und vor allem für junge Wissensarbeiter.
Der Architekturboom ist paradox. Der Fortschritt in Kom-
munikations- und Netzwerklösungen ermöglicht flexibles
Arbeiten von zu Hause und der „Produktionsprozess“ der Wis-
sensarbeit erfordert nicht die Anwesenheit der Beschäftigten.
Die Existenz physischer Büros müsste dann an Bedeutung ver-
lieren. Zu beobachten ist jedoch das Gegenteil. Unternehmen
investieren große Summen in ihre Architektur und die neue Ar-
chitektur greift die flexiblen Formen des Arbeitens auf – aber
nicht zu Hause, sondern in neuen Bürolandschaften. Unterneh-
men wie HP, Yahoo und IBM distanzieren sich wieder von dem
einst als Ideallösung für flexible Arbeitszeiten proklamierten
Homeoffice. Co-Working-Spaces wie das Betahaus in Hamburg
(hamburg.betahaus.de) ziehen Freelancer und Start-ups an,
die offensichtlich nicht allein im Homeoffice arbeiten wollen.
Das Büro hat also nicht ausgedient: Internationalisierung,
zunehmende Mobilität der Beschäftigten, ein starker Trend zur
Dezentralisierung von Organisationsformen sowie das Wachs-
tum von Sektoren, in denen keine tangiblen Produkte, sondern
weniger greifbare digitale Lösungen und Services angeboten
werden, führen bildlich gesprochen zu einer größeren Distanz
zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, die eine Identifika-
tion der Mitarbeiter mit dem Unternehmen erschwert (Müller,
2013). Diese Distanz soll offenbar überbrückt werden durch die
Präsenz der Beschäftigten in neuen Bürolandschaften.
Eine vielfältige Forschungsliteratur hat sich mit Architektur
beschäftigt und es ist in jüngerer Zeit vorgeschlagen worden,
dass Architektur auch eine Rolle im Employer Branding spie-
len könnte (Müller, 2013). Doch empirisch liegen noch keine
Erkenntnisse zur Rolle von Architektur im Employer Branding
vor. Welche Architekturstile dominieren überhaupt in den Un-
ternehmen? Wie wirken sich diese auf die Wahrnehmung von
Wissensarbeitern aus? Wie genau beeinflusst Architektur das
Employer Branding und die Rekrutierung? Spielt Architektur
überhaupt eine Rolle für junge Jobsuchende?
Um erste Antworten auf diese Fragen zu finden, arbeiten wir
die Forschungsliteratur zu Architektur selektiv auf und prä-
sentieren Ergebnisse aus einem laufenden Promotionsprojekt.
Es wird herausgearbeitet, dass derzeit in größeren Unterneh-
men drei Architekturstile dominieren. Zwei neuere Stile – der
Spaß-Typ und der harmonisch-moderne Typ – setzen Akzente,
die das flexiblere Arbeiten, das sich vielfach durchsetzt, wi-
derspiegeln. Bei diesen neueren Gebäudetypen werden die
Grenzen von Bürogebäuden zur Außenwelt aufgebrochen, z.B.
durch offen und transparent gestaltete Glasfassaden und Ent-
grenzungen auch innerhalb des Gebäudes. Es wird empirisch
gezeigt, dass junge Menschen diesen offeneren Architekturstil
deutlich bevorzugen, wenn sie fiktiv zwischen unterschied-
lichen Arbeitsplätzen wählen. Arbeitgeber könnten daher ihre
Architektur im Employer Branding konsequenter nutzen, als es
bislang geschieht: als Signal für ansprechende Arbeitsplätze an
potenzielle Beschäftigte, als Möglichkeit zur Identifikation mit
dem Unternehmen und als Stimulation für Kreativität für aktu-
elle Beschäftigte. Wenn sie nicht richtig eingesetzt wird, kann
Architektur auch zu Nachteilen für den Arbeitgeber führen.
Welche Architekturtypen gibt es? Eine Bildanalyse
Ein Blick über die Unternehmenslandschaft zeigt, wie vielfältig
Unternehmensarchitektur heute ist. Daher stellt sich als Erstes
die Frage, welchen Architekturtypen junge Bewerber heute am
häufigsten begegnen. In einem ersten Schritt wurden im Internet
verfügbare Fotos und Beschreibungen von Unternehmensgebäu-
den und deren Räumlichkeiten ausgewertet. Betrachtet wurden
die DAX-30 Unternehmen sowie die ersten 25 durch das Great-
Place-to-Work-Institut
sge-
Potenzial der Unternehmensarchitektur
im Rahmen des Employer Branding
Von
Katharina Radermacher
und
Prof. Dr. Martin Schneider
(Universität Paderborn)
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