Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 25

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-8.2019
Wie müssen sich Quartiere verändern?
Sie müssen mit niederschwelligen sozia-
len und kulturellen Angeboten versorgt
werden. Es muss eine Durchmischung
geben von Jung und Alt. Außerdem brau-
chen wir multifunktionale Mobilität mit
vielen Infrastruktureinrichtungen für
Elektromobilität. Aber auch planerische
Dinge sind wichtig: Frischluftschneisen
müssen städtebaulich so genutzt werden,
dass sie integraler Bestandteil von Stadt­
entwicklung werden. Wenn man an die
oberitalienischen Städte denkt, sieht man,
wie geschickt hier mit Sonne und Schatten
gearbeitet wurde und wie Quartiere sich
selbst ein Binnenklima geschaffen haben,
wo es sich auch im Sommer gut aushalten
lässt.
Was ist mit dem ländlichen Raum?
Wir
müssen uns die Republik vorstellen wie
ein Netz. Dieses Netz hat Knotenpunkte,
und die müssen so gewählt werden, dass
die entwicklungsfähigen Provinzstädte In-
frastrukturträger werden und ein Umfeld
um sich herum schaffen, das eine starke
Bindungskraft hat, sodass Menschen vor
Ort bleiben. Wir brauchen dort daneben
ein anderes Konzept der Mobilität. Wir
müssenwiedermehr in eine bessere Schie-
neninfrastruktur investieren.
Foto: Manuela Schädler
Sie sagen, Bund, Land und Kommunen
hätten in den letzten Jahrzehnten in
der Wohnungspolitik versagt. Inwie-
fern?
Der Bund hat mit einem Feder-
strich vier Millionen Wohnungen durch
das Streichen der Gemeinnützigkeit aus
der ewigen Sozialbindung entlassen. Die
Länder haben bis auf drei rühmliche
Ausnahmen Schindluder getrieben mit
den Wohnungsbauförderungsmitteln,
sie haben keinen sozialen Wohnungsbau
betrieben, sondern das Geld sonstwo ein-
gesetzt. Viele Kommunen haben nicht
verantwortungsbewusst ihre Wohnungs-
baugesellschaften gepflegt, sondern ih-
ren Bestand voreilig privatisiert und die
Bauabteilungen so ausgedünnt, dass heute
Baugenehmigungen dreimal so lange dau-
ern wie das Bauen selbst …
Ich habe nie verstanden, dass die Län-
der dem Bund nicht rechenschafts-
pflichtig sind für die Verwendung der
vom Bund zur Verfügung gestellten
Gelder …
Diese Ausprägung von Föde-
ralismus ist, meiner Meinung nach, ein
Missverständnis. Ich glaube, bei solchen
sozialen Verpflichtungen ist durchaus so
etwas wie ein Leistungsnachweis zu er-
bringen. Der Steuerzahler hat ein Recht
darauf, zu wissen, wo seine Mittel einge-
setzt werden, dass sie zweckentsprechend
eingesetzt werden.
Sie fordern einen sachlichen Gesamt-
plan, was die Wohnungsbaupolitik be-
trifft. Was wäre wichtig?
Das fängt damit
an, dass die Ergebnisse des Wohnbau­
gipfels nicht konsequent auf Länder- und
Kommunalebene umgesetzt werden. Es
sollte transparent nachgewiesen werden,
mit welchem Aufwand welche Anstren-
gungen unternommen werden und wel-
che Erfolge und Misserfolge zu bilanzie-
ren sind. Deshalb bin ich sehr dafür, dass
regelmäßig auf allen Ebenen Bilanz gezo-
genwird. Das müssenWerkstatt
gespräche
«
Dirk Labusch, Freiburg
sein, bei denen jeder seinen Teil an Ver-
antwortung wahrnimmt.
Hat der Tübinger OB Boris Palmer mit
seinen verschiedenen Aktionen, die
Menschen zum Bauen zu bewegen,
Recht?
Boris Palmer ist ein Trommler
vor dem Herrn. Aber in der Sache hat
er meiner Meinung nach Recht. Wir
brauchen so etwas wie die Grundsteuer
C, die diejenigen belastet, die Baugrund
blockieren. Denn es kann nicht sein, dass
knapp gewordener Baugrund reines Spe-
kulationsobjekt wird. Das ist ein Einstieg,
wo Menschen sehen, dass sich die Politik
kümmert, dass nicht einseitig zu ihren
Lasten agiert wird.
Hier unterscheiden Sie sich sehr
stark von der Meinung des Zentralen
Immobilien Ausschusses ZIA.
Wir sind
keine Geschwister, sondern wir versu-
chen laut Satzungmöglichst gemeinwohl-
orientiert rationale Vorschläge zur Pro-
blemlösung zu machen. Der ZIA hat eine
ganz bestimmte Klientel zu vertreten und
sieht deshalb manche Maßnahmen an-
ders als wir, weil er einen engeren Blick
hat.
Welche Rolle muss die Baulandkommis-
sion spielen?
Siemuss tragfähige Hinwei-
se geben, denn sonst wäre sie überflüssig
gewesen. Kommunen müssen unterstützt
werden bei einer Politik, die Bodenwieder
verfügbar macht und Boden und Bauland
zu wirklich bebaubarem Land macht; da-
durch, dass Flächen durch verschiedene
Instrumente mobilisiert werden.
Welche Rolle hat der Bund?
Mittel für
den sozialen Wohnungsbau stellt er ja be-
reit. Aber er sollte auch selbst wieder in
den Werkswohnungsbau einsteigen, die
BIMA-Grundstücke mobilisieren und das
Thema Wohnungsnot und Städtebauför-
derung miteinander verknüpfen.
„Dass die Länder nicht
rechenschaftspflichtig
sind für die Verwendung
der vom Bund zur Verfü­
gung gestellten Gelder,
halte ich für ein Miss­
verständnis.“
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