Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 32

32
FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
IMMOBILIENWIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT
Ist Kreativität der Heilsbringer?
Natür­
lich nicht im luftleeren Raum. Sie muss
immer dazu dienen, Probleme zu lösen.
Das ist die Grundlage von Erfolg. Wenn
ich selber nicht kreativ bin, muss ich ein­
fach meine Kunden fragen.
Aber läuft es im Moment nicht ganz
gut ohne Kreativität?
Ich glaube, dass
viele Projektentwickler in Berlin in den
nächsten Jahren Probleme bekommen
werden. Denn sie kleistern Berlin mit Lu­
xusobjekten zu. So viele Millionäre, die
da wohnen könnten, gibt‘s aber gar nicht.
Nachhaltig erfolgreich sein kann ich mit
individuellen kreativen Lösungen, die
innerhalb des bestehenden Regelwerks
machbar sind. Hier fehlt tatsächlich das
Bewusstsein.
Wird zu wenig quergedacht?
Ich habe
am Anfang in Deutschland als Dienst­
leisterin für verschiedene Immobilien­
unternehmen gearbeitet. Ich wollte mich
hier positionieren als eine Beraterin, die
Innovationsmodule in Projektentwick­
lungen hineinbringt. Aber die Strukturen
hierzulande sind verkrustet.
Woran machen Sie das fest?
Alle, mit de­
nen ich geredet habe, fanden meine Idee
spannend und betonten, dass es dafür viel
Bedarf gäbe. Aber letztlich habe ich damit
kaum einen Euro verdient.
Erzählen Sie mal.
Ein großes Bau­
unternehmen, dessen oberes Manage­
ment ich gut kenne, hatte ein cooles
Projekt in der HafenCity gekauft. Das das
Wort „Innovation“ in seinemNamen trug.
Ich sollte mir für einige tausend Euro ein
paar Innovationsmodule überlegen, das
war noch in der Konzeptphase. Letztlich
wurde das aber gestoppt, weil im Budget
kein Posten für Innovation veranschlagt
war. Bei einem Projektvolumen von über
100 Millionen Euro.
Frau Mrowetz, ist es verwerflich, wenn
die Immobilienbranche nicht auf Teu-
fel komm raus gesellschaftlich tätig
wird?
Das Wort „verwerflich“ würde ich
nicht wählen. Trotzdemhat sie eine gesell­
schaftliche Verantwortung.Wir sehen eine
Radikalisierung der Gesellschaft und zwar
auf allen Ebenen. In Berlin-Moabit, wo ich
wohne, ist ein Haus verkauft worden. Es
gab bislang noch keine einzige Kündi­
gung. Aber es hängen überall Plakate mit
Sprüchen wie: „Wir sind verkauft worden“
oder „Rest in peace, Hinterhof “.
Man redet zu wenig miteinander?!
Es
gibt zwar viele Grundsatzdiskussionen.
Oft schimpft die Gesellschaft auf die
Wirtschaft. Die Wirtschaft schimpft auf
die Politik. Die Politik gibt den Schwarzen
Peter an die Wirtschaft, die Immobilien­
wirtschaft fragt sich, was sie eigentlichmit
dem städtischen Wohlergehen zu tun hat.
Das ist dieses Silodenken. Aber es gibt zu
wenig individuelle Lösungsansätze.
Aber es gibt welche?
Durchaus. Entgegen
dem Image gibt es sehr viele Wirtschafts­
vertreter, die sich engagieren, und die
sitzen zum Beispiel in den Ausschüssen
der IHK Berlin oder in den Berufsverbän­
den. Aber auch dort wird zu wenig nach
Schnittmengen gesucht. In anderen Län­
dern gibt es bei aller Kritik eine andere
Denke …
Vielleicht ist das Thema „Gesellschaft-
liche Verantwortung der Immobilien-
wirtschaft“ auch einfach zu groß.
Viel­
leicht lässt sich das ersetzen durch „Ver­
antwortung für die gebaute Umwelt“. Das
war auch der Ursprungsgedanke für den
FIABCI Prix d‘Excellence Germany, den
ich als Präsidentin von FIABCI Deutsch­
land als Preis für herausragende Projekt­
entwicklungen ins Leben gerufen habe. Es
ist immer noch sehr stark in den Köpfen
verankert, dass ichmich entscheidenmuss
„Rest in peace, Hinterhof“
zwischen Profit und „Gutes tun“. Zwischen
Profit und guter Architektur. Aber es geht
beides zusammen.
Haben Sie so eine persönliche Lösung
gefunden?
Ja. Ich habe mich umgehört.
Ein Problemwar offensichtlich: Viele jun­
ge Mittelklasse-Familien in Berlin sitzen
komplett zwischen den Stühlen.
Sie helfen dieser Klientel zu bauen?
Ich
kaufe Grundstücke, die für private Bau­
herren zu groß oder zu teuer sind und für
große Projektentwickler zu klein. Dann
teile ich sie auf, schaue, wie viele Häuser
sich auf ein solches Grundstück bauen
lassen, damit sich eine Familie die auch
leisten kann. Die kriegen ein Haus mit
Garten für den Preis, für den sie in der
gleichenGegend nur eine Eigentumswoh­
nung bekämen.
Und Sie verdienen trotzdem noch Geld?
Ja, und meine Investoren kriegen eine
sehr gute Rendite! Das ist natürlich ein
sehr kleines Beispiel. Ich glaube aber, es
braucht insgesamt mehr Kreativität in der
Branche. In diesem System gibt es viele
Stellschrauben, an denenman drehen und
eigentlich sehr viel bewegen kann.
„Ich glaube, dass viele
Projektentwickler in Ber-
lin Probleme bekommen
werden. Sie kleistern die
Stadt mit Luxusobjekten
zu. So viele Millionäre,
die da wohnen könnten,
gibt‘s aber gar nicht.“
1...,22,23,24,25,26,27,28,29,30,31 33,34,35,36,37,38,39,40,41,42,...76
Powered by FlippingBook