Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 37

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de Position. Und trotzdem eine kolossale Fehlinterpretation der
tatsächlichen Verhältnisse und ein wirtschaftspolitischer Fron-
talangriff auf die hiesige Baukultur. Denn welchen messbaren
Wert hat ein gelungenes Haus oder eine gute Stadt? Kultur und
Lebensqualität bieten hohe Attraktivität, lassen sich aber kaum
marktwirtschaftlich ausrechnen. Fest steht, dass Architekten und
Planer maßgeblichen Anteil daran haben, wie gut unsere gebaute
Welt ist. Die Verantwortung der Architekten geht demnach über
das eigentliche Vertragsverhältnis mit ihrem Auftraggeber hi-
naus. Sie sind auch dem Gemeinwohl verpflichtet.
Deshalb verfolgt dieHOAI imPaketmit anderenMaßnahmen
wie Berufsordnung, Fortbildungspflicht oder Qualifikationsnach-
weisen das Ziel, die Qualität von Planung für die Gesellschaft zu
regeln und zu sichern. Ähnliches gilt für die Leistungen anderer
freier Berufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater. Die
Patienten und Klienten bezahlen mit einem angemessenen Ho-
norar für eine Leistung, auf die sie sich verlassen müssen, weil sie
deren Qualität nur ansatzweise selber beurteilen können.
Sollte sich die Europäische Kommission durchsetzen, werden
die Honorare überwiegend sinken. Die Büros werden weniger
Mitarbeiter anstellen und niedrigere Löhne zahlen. Dadurchwer-
den sie weniger qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und Wissen
und Einfluss verlieren. Eine Spirale nach unten setzt ein.
Kleinere Architekturbüros werden es schwerer haben, ihre
wirtschaftliche Basis zu finden. Größere Büros werden versuchen,
Planung nach wirtschaftlichen Kriterien zu vereinfachen. Dann
wird Planung stärker auf die Seite der Konzerne wandern. Alles
in allem wird die Planerlandschaft ärmer werden.
Wie das aussieht, ist in den USA oder in England zu sehen.
Dort gibt es nahezu keine kleinen oder mittelständischen Büros,
etwa halb so viele Architekten wie in Deutschland und infol-
gedessen deutlich weniger Planungsqualität und -kultur in der
Fläche. Dort gibt es bereits heute weniger Wissen um gelungene
Städte, weniger Institute, die Stadtforschung betreiben, weniger
Lehrstühle, weniger Medien, die sich für Baukultur interessieren,
weniger Stadtplaner, Denkmalschützer, Architekturgalerien und
-museen, die Qualität definieren und einfordern, weniger Geneh-
migungsbehörden, infolgedessen weniger urbane Lebensqualität
und weniger Nachhaltigkeit. Der Wille zu und das Wissen um
Baukultur und das gute Leben ist dort in der Breite einfach we-
niger vorhanden.
In vielen Ländern Europas haben die Architekten und Inge-
nieure bereits viel von ihrer Kompetenz abgegeben. Sie liefern
gerade noch einen Satz Pläne. Der Auftraggeber sucht sich dann
einen Unternehmer und der plant baufähig und fertig. Heute
schuldet der Architekt in Deutschland noch das fertige Werk, ist
für die Ausschreibungen, die Bauüberwachung und am Ende für
das ganze Gebäude verantwortlich. Noch brauchen also die hie-
sigen Büros viel Kompetenz und Wissen, um erfolgreich zu sein.
Ohne kompetente Planer, die lenken, dirigieren, regeln, fest-
legen, schützen, erneuern, erfinden, anpassen und leiten, kann
keine Planung gelingen. Und ohne Planung gibt es keine gelun-
gene Stadt und kein gutes, faires Leben für viele. Gelungene Städte
basieren auf machtvollen, regulativen Eingriffen. Der liberalisier-
te Markt kann hier und da viel richten. Aber die ungeregelten
Kräfte des Marktes alleine haben noch nirgends eine gute Stadt
gebaut. Auch Klimaschutz ist ohne machtvolles Regulieren nicht
möglich. Der Eisbär auf seiner Scholle ist zwar frei, treibt aber gen
Süden unweigerlich seinem Untergang entgegen. Wir brauchen
eine stringentere Politik, die die Interessen des Gemeinwesens
vertritt und für die Baukultur die erforderlichen Entfaltungsmög-
lichkeiten schafft.
Mir geht es um eine faire und sinnvolle Balance zwischen
denen, die für die Planung und den Bau unserer Städte verant-
wortlich sind: den privaten Unternehmern, den Planern, den
öffentlichen Institutionen und den Bürgern. Die Architekten
können diese widerstreitenden Kräfte verbinden und erfüllen
damit eine wichtige Funktion innerhalb eines auseinander-
strebenden Gefüges. Sie leisten zu einem guten Teil die Kärr-
nerarbeit für die Grundlagen unserer Gesellschaft und tragen
maßgeblich zum wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen
Erfolg in Deutschland bei. In diesem Spiel der Kräfte sind die
Planer schutzbedürftig. Denn sie sind zu einem guten Teil die
Träger der Baukultur.
Ohne die deutsche HOAI gäbe es weniger Stadtplaner, Denkmalschützer,
Architekturgalerien – der liberalisierte Markt alleine hat noch nirgends
eine gute Stadt gebaut. Jetzt steht sie auf dem europäischen Prüfstand.
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ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 zusammen mit Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.
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