Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 29

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Der IWF empfiehlt den Notenbanken, bei einer neuen Wirtschaftskrise die Leitzinsen auf bis
zu minus zehn Prozent zu senken. Noch günstigere Finanzierungen bei einer Konjunktur
abkühlung könnten Investoren veranlassen, noch höhere Preise für Liegenschaften zu zahlen.
ziellen künftigen Leitzinsabsenkungen
bergen nach Meinung mancher Experten
bereits erhebliche Risiken für die Immo­
bilienmärkte. Die Gefahr bestehe, „dass
Investoren nun versucht sein könnten,
Liegenschaften so aggressiv zu erwerben,
dass es tatsächlich zu den befürchteten
Übertreibungen kommt“, sagt Andreas
Loepfe, Managing Director des Centers
for Urban & Real Estate Management,
CUREM, der Universität Zürich.
Immobilieninvestoren könnten dann
versucht sein, ihren primären Gewinn
durch die Aufnahme einer Finanzierung
mit Negativzinsen zu erzielen. Als Folge
könnten die Immobilienpreise imExtrem­
fall so weit steigen, dass Objekte zu einer
Anfangsrendite von null Prozent erwor­
ben werden. „Dies wäre aus Sicht eines
Investors immer noch besser, als einen
Verlust bei Spareinlagen hinzunehmen“,
sagt Beat Seger, Partner im Real Estate
Advisory bei KPMG Schweiz. „Ein Ertrag
von null ist besser als ein Strafzins von
minus x Prozent“, sagt auch Jan Eckert,
CEO Switzerland bei der internationalen
Immobilienberatungsgesellschaft JLL. Zu­
dem biete eine Immobilie in guter Lage
und mit guter Qualität „langfristig die
Chance, durch eine positive Mietentwick­
lung Ertrag und Marktwert zu steigern“.
Es gibt gute Gründe dafür, dass
Schweizer Experten ein auf den ersten
Blick absurd erscheinendes Preisniveau
am Immobilienmarkt in einem solchen
Szenario für durchaus möglich halten.
Nirgendwo in Europa sind die Markt­
werte von Büro- und Wohnimmobilien
in den vergangenen Jahren so stark ge­
stiegen und spiegelbildlich die aus den
Mieteinnahmen in Relation zum Kauf­
preis erzielbaren Renditen gesunken wie
zwischen Bodensee und Lago Maggiore.
Der negative Leitzins vonminus 0,75 Pro­
zent gepaart mit entsprechenden Strafzin­
sen auf Direkteinlagen bei der Schweizer
Notenbank haben dazu geführt, dass
»
auch in den Minusbereich. Die Aktien­
märkte dürften bereits zuvor durch den
Wirtschaftsabschwung deutlich einbre­
chen. Eine der wenigen Assetklassen, die
institutionellen Investoren wie Pensions­
kassen und Versicherungen, aber auch Fa­
mily Offices bliebe, wäre das Betongold.
„Das Interesse an Immobilieninvestments
dürfte noch weiter zunehmen“, sagt Sabi­
ne Barthauer, Mitglied des Vorstands des
Gewerbeimmobilienfinanzierers Deut­
sche Hypo. „Dies würde einen weiteren
Preisanstieg nach sich ziehen.“ Von dem
dann einsetzenden Boom an den Immo­
bilieninvestmentmärkten dürften die klas­
sischen Finanzierer jedoch kaum profitie­
ren. „Aufgrund des hohen Wettbewerbs
erwarte ich aus dieser Entwicklung kaum
Möglichkeiten für die Banken, dieMargen
zu erhöhen“, sagt Barthauer.
„Durch die tiefen
Negativzinsen würde
eine Immobilienblase
entstehen.“
Der Stabilität an den Immobilien­
märkten dürfte dies kaum förderlich sein:
„Es bestünde die Gefahr, dass Investoren
vermehrt in Objekte jenseits von Core in­
vestieren, wodurch das eingesetzte Eigen­
kapital immer mehr imRisiko stehenwür­
de“, sagt Barthauer. Noch deutlicher wird
Stefan Mitropoulos, Immobilienanalyst
bei der Landesbank Hessen-Thüringen,
mit einemKreditbestand von 35,3Milliar­
den Euro der größte Gewerbeimmobilien­
finanzierer in Deutschland: „Durch die
im IWF-Papier vorgeschlagenen extrem
tiefen Negativzinsen würde sich eine Im­
mobilienblase sondergleichen aufblähen.“
Mit dieser Ansicht ist Mitropoulos
nicht allein. Allein die begonnene Kon­
junkturabkühlung und die durch das
IWF-Papier in Aussicht gestellten poten­
Bei Banken und Immobilieninves
toren ist das Papier seit der Veröffentli­
chung auch das Gesprächsthema schlecht­
hin. Denn die Namen der beiden Haupt­
autorinnen zeigen, dass hier das Drehbuch
für die Geldpolitik im irgendwann bevor­
stehenden nächsten Konjunktureinbruch
verfasst wurde: Katrin Assenmacher leitet
die Abteilung Geldpolitische Strategie der
EZB. Signe Krogstrup war bis 2016 Vize-
Direktorin und stellvertretende Leiterin
Geldpolitische Analyse bei der Schweize­
rischen Nationalbank und ist heute füh­
rende IWF-Researcherin. „DieWirtschaft
verläuft in Zyklen“, sagt Günter Vornholz,
Professor für Immobilienökonomie an der
EBZ Business School in Bochum. „Auf je­
den Aufschwung folgt ein Abschwung.“
Und die nächste Talfahrt scheint seit
dem vor rund neun Jahren begonnenen
Aufwärtstrend immer näher zu rücken,
wie die sich weiter eintrübenden Indika­
toren zeigen. Der deutsche Ifo-Geschäfts­
klimaindex fällt seit Monaten. In denUSA
ist der die gesamteWirtschaftsaktivität des
Landes messende Markit Flash US Com­
posite auf ein Drei-Jahres-Tief gesunken.
Zwar hat die US-Notenbank sich für
den nächsten Konjunktureinbruch wieder
ein wenig trockenes Pulver beschafft, in­
dem sie in den vergangenen Jahren den
Leitzins von null Prozent auf die aktuelle
Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent angeho­
ben hat. „Die Fed kann daher zunächst
mit einer klassischen Leitzinssenkung
gegensteuern“, sagt Vornholz. „Die EZB
hat diese Möglichkeit nicht.“ Ebenso we­
nig die Schweizer Nationalbank, die den
Leitzins bei minus 0,75 Prozent hält, und
die schwedische Reichsbank mit einem
Leitzins von minus 0,25 Prozent.
Was eine massive Senkung der Leit­
zinsen tief in den negativen Bereich für
Immobilienmärkte, Investoren und Kre­
ditgeber bedeuten würde, liegt für Bran­
chenexperten auf der Hand. Die Renditen
von Staatsanleihen fielen in diesem Fall
1...,19,20,21,22,23,24,25,26,27,28 30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,...76
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