Immobilienwirtschaft 7-8/2019 - page 30

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
LEITZINS
Expertenstimmen
„Sollten die Notenbanken
die Leitzinsen tief in den
negativen Bereich senken,
könnten sich die Staaten
letztlich zu Währungs-
reformen gezwungen
sehen.“
Folker Hellmeyer,
Chefanalyst Solvecon
„Anfangsrenditen von null
Prozent bei Immobilien
wären aus Sicht eines
Investors immer noch
besser, als einen Verlust
bei Spareinlagen hinzu-
nehmen.“
Beat Seger,
Real Estate
Advisory KPMG Schweiz
„Das Interesse an Immo-
bilieninvestments dürfte
noch weiter zunehmen.
Dies würde einen weite-
ren Preisanstieg nach sich
ziehen “
Sabine Barthauer,
Vorstand Deutsche Hypo
„Durch die im IWF-Papier
vorgeschlagenen extrem
tiefen Negativzinsen
würde sich eine Immobi-
lienblase sondergleichen
aufblähen.“
Stefan Mitropoulos,
Immobilienanalyst Landesbank
Hessen-Thüringen
Core-Objekte inzwischen zum Teil zu
Bruttoanfangsrenditen von unter zwei
Prozent gehandelt werden.
Kann der Leitzins wieder
positiv werden, wenn er
einmal tief im Minus ist?
Mit ihrem Strategiepapier greifen
Assenmacher und Krogstrup die in der
durch Deflation hervorgerufenen Wirt­
schaftskrise der 1890er Jahre entwickelte
Schwundgeldtheorie des deutschen Fi­
nanztheoretikers Silvio Gesell auf. Der
Kerngedanke: Geld sollte an Wert ver­
lieren, wenn es für längere Zeit gehalten
wird, um so die Menschen zum Konsum
anzuregen und die Wirtschaft wieder in
Gang zu bringen. Implementiert wurde
die Idee während der Großen Depressi­
on zu Beginn der 1930er Jahre auf regio­
naler Ebene im österreichischen Wörgl.
Die Gemeinde gab als Notwährung den
Wörgler Schilling heraus, dessen Geld­
scheine jeden Monat einen Prozent an
Wert verloren, wenn sie nicht den Besit­
zer wechselten. Während Europa in der
Krise steckte, begann die Wirtschaft in
Wörgl wieder zu florieren. Örtliche Be­
triebe stellten wieder Beschäftigte ein.
Binnen 14 Monaten sank die Arbeitslo­
senquote von 21 auf 15 Prozent, während
sie in Österreich und Deutschland weiter
anstieg. Das „Wunder von Wörgl“ ende­
te, als Österreichs Nationalbank 1933
das Schwundgeld verbot. Kurz darauf
schnellte die Erwerbslosenrate in der
Gemeinde wieder in die Höhe.
Offen ist, ob es Notenbanken gelingen
würde, den Leitzins wieder in positives
Terrain zu heben, wenn sie ihn einmal tief
in denMinusbereich gesenkt haben. In Ja­
pan, jenemLand, in demder Leitzins 1999
erstmals auf null Prozent gesenkt wurde,
ist es der Notenbank bis heute nicht ge­
lungen, ihn wieder dauerhaft anzuheben.
Aktuell liegt er bei minus 0,1 Prozent.
„Sollten die Notenbanken die Leitzinsen
tief in den negativen Bereich senken,
könnten sich die Staaten letztendlich zu
Währungsreformen gezwungen sehen,
um wieder positive Leitzinsen zu ermög­
lichen“, sagt Analyst Hellmeyer.
Zu den Gewinnern einer Währungs
reform würden Immobilienbesitzer zäh­
len, da Liegenschaften an sich immer ei­
nen Wert haben. „Allerdings könnte die
Freude der Eigentümer schnell vorüber
sein, weil Grundeigentum leicht besteuert
werden kann“, sagt Immobilienökonom
Vornholz. Geschehen ist dies in Deutsch­
land nach derWährungsreform1924. We­
nig später erhob die Weimarer Regierung
die Hauszinssteuer. Immobilienbesitzer
mussten so hohe Fiskalabgaben leisten,
dass sie damit in den kommenden Jahren
bis zu 20 Prozent der Steuereinnahmen
von Ländern undGemeinden deckten.
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Richard Haimann, Neu Wulmstorf
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