Immobilienwirtschaft 2/2019 - page 28

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
IMMOBILIENFONDS
Noch ist die Euphorie
der Anleger ungebrochen
D
ie Immobilienmärkte in Deutsch-
land ticken seit fast zehn Jahren im
Boommodus. Das lässt sich an ein-
drucksvollen Zahlen ablesen: So überstie-
gen die Investmentumsätze 2018 erstmals
die 60-Milliarden-Euro-Grenze. Und sie
hätten sogar deutlich darüber liegen kön-
nen, wenn das Angebot größer gewesen
wäre. „Für viele Investorengruppen sind
Immobilien wegen des niedrigen Zins­
niveaus die einzige Option, umakzeptable
Renditen zu erzielen“, sagt Martina Hert-
wig, Partnerin und Wirtschaftsprüferin
des Beratungsunternehmens Baker Tilly
und Mitglied des ZIA-Vorstands.
Daran wird sich ihrer Prognose zufol-
ge – und auch der der meistenMarktbeob­
achter – im Jahresverlauf wenig ändern.
Die Rendite von Immobilieninvestments
übertreffe die von Bundesanleihen um250
bis 300 Basispunkte, stellt sie fest. Und die
Europäische Zentralbank (EZB) will an ih-
rer Niedrigzinspolitik, zumindest bis zum
Herbst, weiter festhalten. Kein Wunder,
den Immobilienmärkten sieht Knorr die
Branche insgesamt gut gerüstet: Portfolios
würden zielgerichteter, profilierter struk-
turiert als früher, sowohl was den Mix der
Nutzungsarten betreffe als auch die Lage
der Objekte, argumentiert sie.
Portfolios werden stärker
durchmischt, zudem
erleben Wohnimmobilien
bei Fonds ein Comeback
Das auffälligste Phänomen dürfte hier-
bei wohl das anhaltend starke Comeback
der Wohnimmobilie sein. Union Invest-
ment lancierte im Juli 2017 mit der ZBI
Gruppe den auf diese Nutzungsart fokus-
sierten Fonds für Privatanleger UniImmo:
Wohnen ZBI. Dessen Immobilienbestand
beträgt mittlerweile fast 20.000Wohnein-
heiten (Wert: 1,4 Milliarden Euro). Das
reicht locker, um sich als Deutschlands
größten Immobilienpublikumsfonds im
Segment Wohnen bezeichnen zu dürfen.
Lange machten Manager um diese
Nutzungsart eher einen Bogen. „Zu ge-
ringe Rendite, hoher Verwaltungsauf-
wand, waren oft zu hörende Argumente“,
sagt Ulrich Steinmetz, Manager der Fonds
grundbesitz Fokus Deutschland, europa
und global. Diese Einstellung hat sich ge-
wandelt. Mit dem Wertgrund WohnSe-
lect D, dem Industria Wohnen und dem
UniImmo: Wohnen ZBI gibt es inzwi-
schen einige Immobilienpublikumsfonds,
die nur in Wohnimmobilien investieren.
Zu den Ausnahmen breit anlegender
Fonds, die dieses Segment mit im Visier
haben, zählen die von Steinmetz und des-
sen Team gemanagten Immobilienpubli-
kumsfonds sowie der Living andWorking
der Swiss Life KVG.
Aus Sicht der Anteilseigner des Wert-
grund WohnSelect D war 2017/2018 ein
besonders erfreuliches Geschäftsjahr, da
dass Investments in Immobilienfonds vor
allem bei risikoscheueren Anlegergrup-
pen hoch im Kurs stehen. Offene Immo-
bilienpublikumsfonds sammelten laut BVI
im letzten Jahr über fünf Milliarden Euro
(Stand: Ende Oktober 2018) bei Anlegern
ein, Offene Immobilienspezialfonds sogar
fast sechs Milliarden Euro. Und das trotz
aller Maßnahmen, die Mittelströme zu
bremsen. Das Vermögen Offener Immo-
bilienpublikumsfonds summiert sich auf
knapp 100 Milliarden Euro, das der Offe-
nen Immobilienspezialfonds nähert sich
der 90-Milliarden-Euro-Marke.
Einige Immobilienpublikumsfonds
– wie der Deka-ImmobilienEuropa und
der UniImmo: Deutschland – werden so
massiv mit Mittelzuflüssen überschüttet,
dass sie frische Anlegergelder bereits seit
geraumer Zeit nur noch kontingentiert
annehmen. Dabei ist es noch gar nicht so
lange her, dass Anleger zuhauf Geld aus
Offenen Immobilienfonds abzogen. 2011
gerieten daher 18 davon (Fondsvolumen:
insgesamt 26 Milliarden Euro) infolge
der Finanzmarktkrise so arg in Bedräng-
nis, dass sie geschlossen und abgewickelt
werden mussten.
Aus dieser Erfahrung wurden Kon-
sequenzen gezogen. So müssen Anleger,
die nun Geld in Offene Immobilien­
publikumsfonds gesteckt haben, Mindest-
halte- und Kündigungsfristen beachten.
„Das erleichtert Fonds das Liquiditäts
management, dennoch halten sie hohe
Barreserven, umAnteilsrückgaben bedie-
nen zu können“, sagt Sonja Knorr, Leite-
rin der Immobilienfondsanalyse bei Scope
Analysis. Die Deutsche-Bank-Tochter
DWS hält im derzeitigen Marktumfeld
eine Liquiditätsquote von rund 15 Prozent
für die von ihr aufgelegtenOffenen Immo-
bilienpublikumsfonds – wie den grund-
besitz europa – für eine erstrebenswerte
Zielmarke. Die meisten anderen Invest-
menthäuser peilen ähnlich hohe Cash-
Polster an. Für ungemütlichere Zeiten an
„Für Immobilienpubli-
kumsfonds ist es nicht
leicht, keine übermäßi-
gen Investmentrisiken
einzugehen. Auch dürfen
die Liquiditätspuffer
nicht zu groß werden.
Und dennoch müssen die
Fonds akzeptable Rendi-
ten abliefern.“
Martina Hertwig,
Partnerin und
Wirtschaftsprüferin des Beratungs­
unternehmens Baker Tilly und Mitglied
des ZIA-Vorstands
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