Immobilienwirtschaft 3/2019 - page 40

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
vorne zu bringen. Aber wir müssen uns dazu in Kürze nochmal
treffen und in die Augen schauen. Ohne Vertrauen keine Archi­
tektur. Zu Hause warten die Kinder auf mich. Wir wärmen das
Essen auf und haben es lustig. Dabei üben wir die Schauspieler­
gesten von Frieder Nögge und sprechen über die unterschied­
lichen Kommunikationscharaktere Feuer, Erde, Wasser und Luft.
Alles ist Kommunikation.
Ich binmüde und gehe etwas zeitiger ins Bett. Den Frühsport
habe ich bereits abgesagt. Ich bin platt. Am Morgen weckt mich
meine Frau liebevoll. Zur Zeit frühstücke ich nicht: Intervallfas­
ten soll das werden. Eine Ernährung, wie die Steinzeitmenschen,
ohne Zucker, Weizenmehl und Milch. Meine Vorfahren waren
zwar seit über 500 Jahren Bauern, aber meine Gene sollen über
eineMillion Jahre als Jäger und Sammler ausgebildet worden sein.
Und das Ergebnis schleppe ich jetzt durch die Welt.
Ich schaue mir ein Grundstück etwas weiter außerhalb in
Tegel an. Der Abbruch eines Rechenzentrums soll Platz für eine
Logistikhalle machen, Industrie light darüber. Die Flächen wer­
den bereits für 10,50 Euro angeboten. Das ist der Mietpreis, den
wir vor 15 Jahren im GSW Hochhaus in bester Lage am Gen­
darmenmarkt gezahlt haben. Kein Wunder, dass alle, die diese
Zeit erlebt haben, die hohen Mieten heute nur schwer verstehen.
Aber ohne florierende Wirtschaft gibt es keine Architektur. In
unserem Büro sehe ich zum ersten Mal die neue Tischordnung.
Am Wochenende wurden die neuen Bodentanks gebohrt und
die dringend benötigten Tische installiert. Es sieht deutlich enger
A
uf dem Flug zurück nach Berlin beginne ich am Montag
mit dieser Kolumne. Den Vormittag habe ich zusammen
mit meinem schlauen Auftraggeber und wechselnden Teil­
nehmern in einem Regus-Besprechungsraum am Flughafen
in Frankfurt verbracht. Er beschäftigt sich mit Supply Chain
Management, Autonomem Fahren und Software für Trace and
Tracking Systems. Unglaublich, wie schwer sich kompetente In­
genieure mit der Selbstdarstellung tun. Zaghafte Haustechniker
und selbstbewusste Projektsteuerer („das hören die Architekten
nicht gerne, aber...“) wollen sich für unser Projekt empfehlen.
Aber nach einem ermüdenden Interviewmarathon hat es bei uns
immer noch nicht Klick gemacht und alles bleibt unentschieden.
Mit der Bahn geht es weiter in die Innenstadt. Die Frank­
furter Allgemeine Zeitung (FAZ) will in zwei Jahren ihre neue
Zentrale im Europa-Viertel beziehen. Heute geht es bei unserer
Präsentation um ihre Innenräume. Ob ich diese so klugenKöpfen
von dem Prinzip der Raumdeckung und der intensivierten Zu­
sammenarbeit überzeugen kann? Die Chance eines Neubeginns
durch einen Umzug bietet sich für Unternehmen vielleicht nur
alle zwei Generationen. Ohne Mut keine gute Architektur.
Beim Einstieg in das Flugzeug bilden sich Warteschlangen,
einzelne Gäste brauchen Ewigkeiten, bis sie ihren Mantel ausge­
zogen und das Rätselheft aus ihrer Aktentasche genestelt haben.
Endlich sitzend schreibe ich meinen Artikel über die Stadtfa­
briken zu Ende. Beim Ausstieg in Berlin ruft ein Auftraggeber
zurück. Ich versuche ruhig und bedächtig unser Gespräch nach
In der Manege
Foto: Dirk Weiß
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