Immobilienwirtschaft 10/2018 - page 90

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
TITELTHEMA
künstlichen neuronalen Netzen, die dem menschlichen Gehirn
mit Neuronen und Synapsen nachempfunden sind. Synapsen sind
Verbindungen zwischen Gehirnzellen, die Signale zu den Zellen
transportieren. Sind miteinander verbundene Zellen gemeinsam
aktiv, verstärken sich die Synapsen, werden sie nicht aktiviert,
schwächen sie sich ab. Aktives Lernen verstärkt also die Verbin-
dungen zwischen den Zellen und begünstigt so das Weiterlernen
– ein sich selbst verstärkender Prozess.
Deep Learning ist die Fähigkeit eines Systems, eigenständig
Strukturen zu erkennen, die getroffene Beurteilung zu analysie-
ren und sich über Feedbackschleifen selbstständig dauernd zu
optimieren. Erkennungsgenauigkeit und Ergebnisnutzen weiten
sich aus und ergeben zumindest theoretisch am Ende kognitive
Fähigkeiten, wie man sie beim Menschen findet. So lassen sich
mit Deep Learning etwa Bilder (Dokumente) erkennen, die kei-
nen oder unbekannten Regeln unterliegen. Dazu wird das neu-
ronale Netzwerk mit gesichertem Wissen (Vergleichsinforma-
tionen aus bekannten Fällen) aus Big-Data-Systemen gefüttert.
Es analysiert dann, ob es ein betreffendes Bild richtig erkannt
hat, und speichert das Ergebnis. Je nach Rückmeldung verändert
das Netzwerk die Verbindung zwischen den Neuronen (Treffer
stärken, Fehlinterpretationen schwächen die Verbindungen).
Anhand von „zugefütterten“ Informationen und Wahrschein-
lichkeitsberechnungen kann die Maschine damit Schlussfolge-
rungen ziehen, Entscheidungen treffen – etwa in der Logistik, wo
KI-Lösungen zur Optimierung der Transportrouten und -kosten
hohen Nutzwert versprechen. Solche Systeme nutzen Echtzeit-
Informationen und Prognosen über Verkehrs- undWetterlagen,
Erfahrungenmit bisherigen Fahrten sowie die Auftrags-, Zielort-
und Lagersituation, um eine möglichst rentable Auslastung der
Lkw und minimale Fahrstrecken zu erzielen.
Wo Routineprozesse automatisiert
und große Datenmengen verarbeitet
werden, liegt das KI-Einstiegsszenario
der Immobilienwirtschaft
Mit dem Computerprogramm „Watson“ hat IBM das bisher
namhafteste KI-System geschaffen. Das selbstlernende Pro-
gramm ist in der Lage, vom Menschen nicht mehr beherrsch-
bare Datenmengen in kürzester Zeit zu verarbeiten, aus den
Ergebnissen Hypothesen abzuleiten und diese anhand aktueller
Daten und projizierter Einschätzungen zu bewerten. Zahlreiche
Branchen profitieren von Anwendungen, die auf der Watson-
Plattform aufbauen. Optimierte Bedarfsplanungen, individua-
lisierte Geschäftsmodelle und Unterstützung bei strategischen
Entscheidungen können künftig immer häufiger mit Watson-
Hilfe realisiert werden.
Bei aller Begeisterung für die Zukunftsperspektiven Künst-
licher Intelligenz: Bis zum Routineeinsatz von autonomen
Fahrzeugen und Drohnen, menschenlosen Produktionsstätten,
Chirurgierobotern & Co. wird es noch eine ganze Weile dauern.
Experten sind sich einig: Wir stehen erst ganz am Anfang der
Entwicklung der KI-Welt. Doch bereits heute gibt es sinnvolle
Anwendungsgebiete, vor allem dort, wo Routineprozesse auto-
matisiert sowie großeMengenwenig oder gar nicht strukturierter
Daten und eine Vielzahl von Dokumenten verarbeitet werden
müssen. Gerade hier liegt das KI-Einstiegsszenario für Unterneh-
men der Immobilienwirtschaft. Denn in dieser Branche ist das
Meer von unterschiedlichen und heterogen archivierten Daten
und Dokumenten besonders groß und unübersichtlich. Mensch-
liche Intelligenz kann die Strukturierung, Ordnung und Analyse
dieser Flut ohne die Unterstützung digitaler Hilfskräfte auf Dau-
er nicht bewältigen. KI-Lösungen fungieren als lernfähige Assi-
stenten bei der Strukturierung der Daten und Dokumente und
damit bei der Schaffung der Voraussetzung für eine durchgängige
Digitalisierung der Unternehmensprozesse. Ist diese Hürde ge-
nommen, kann KI künftig darauf aufbauend eine datenbasierte
Automatisierung der Prozesse umsetzen.
Wie bereits heute KI die Immobilienwirtschaft unterstüt-
zen kann, macht Dr. Carsten Thies, Vorstandsvorsitzender der
Haufe-Lexware Real Estate AG, an einigen Beispielen deutlich.
„Auf administrativer Seite können durch so genannte Optical
Character Recognition (OCR) bildhaft erfasste Dokumente, wie
Rechnungen, gelesen und automatisiert weiterverarbeitet werden.
Mit derselben Technologie können Verträge erfasst und ausge-
wertet oder die Vereinbarungen sogar automatisiert umgesetzt
werden. Die Analyse von Daten durch KI kann hilfreiche Pro-
gnosen bereitstellen. So lässt die Analyse von Nutzungsverhal-
ten oder Schäden an Wohnräumen Rückschlüsse für Mieter und
Wohnungseigentümer zu. Aus den wirtschaftlichen Aktivitäten
der Unternehmen einer Region können zudem Aussagen über
die zukünftige Entwicklung der Nachfrage nach Gewerbeimmo-
bilien erstellt werden – bis hin zu spezifischen Segmenten wie
Logistikimmobilien, Einzelhandelsflächen und Größen- und
Ausstattungsklassen von Büroräumen. Nicht zuletzt können
durch das Matching von Nachfrageprognosen und Daten über
Immobilienbestände und Bautätigkeiten Empfehlungen für Port-
folioentscheidungen nach der Art, Ausstattung und Preisklasse
abgeleitet werden.“
Die Datenbasis für diese Anwendungsfelder ist – im Gegen-
satz zumanchemMissverständnis – in den Unternehmen bereits
vorhanden. Es müssen keine neuen Daten beschafftwerden. „Es
wird kein zusätzliches Datenmaterial erhoben, sondern die be-
stehenden Daten werden systematisiert erfasst und geordnet“,
erklärt Maurice Grassau, Geschäftsführer der Architrave GmbH,
des Anbieters einer Datenplattform für die Immobilienwirtschaft.
„Das gilt nicht nur für Scans, sondern auch für bereits digitalisier-
te Daten, liegen sie nun im SAP- oder anderen IT-Systemen.
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