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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
ENERGIEVERSORGUNG
Effizient, manchmal exotisch
S
tandardlösungen für die Versorgung
von Immobilien mit Wärme und
Strom sind zwar erprobt, aber nicht
in jedem Falle effizient. Am Markt gibt es
auch Lösungen, die auf den ersten Blick
paradox erscheinen, wie das Heizen mit
Eis oder kalte Wärmenetze. Einige davon
werden hier vorgestellt.
Was sich wie ein Gegensatz anhört, ist
letztlich eineWärmenetzlösung ohneWär-
meverluste. Denn das Netz bleibt ja kalt.
Statt wie die in der Immobilienwirtschaft
bekannten Wärmenetze, die mit heißem
Wasser oderWasserdampf befüllt werden,
arbeiten kalteWärmenetzemit der Umge-
bungstemperatur des Erdreiches, in dem
sie liegen. Und das sind meist konstant 10
bis 12 °C. Einige Lösungen arbeiten auch
mit Systemtemperaturen von etwa 30 °C,
die etwa aus der anfallenden Abwärme
aus einem Blockheizkraftwerk gewonnen
werden. Beide Temperaturniveaus sind
zwar zu gering für eine Versorgung, aus-
reichend jedoch, um bei jedem einzelnen
Angeschlossenen die gewünschten Tem-
peraturen für Heizung und Warmwasser
mittels Grundwasser-Sole-Wärmepumpe
aufzuaddieren.
Gegenüber der Lösung
Gas-Brennwertkessel
punktet das kalte
Wärmenetz im Neubau
Doch wann lohnt sich ein kaltes Wär-
menetz? „Das ist überall dort, wo eine
nicht allzu hohe Abnahmedichte in einem
Netz herrscht“, so Michael Westermaier,
Vertriebsingenieur bei Ratiotherm, in
Deutschland einziger Spezialist für diese
Art der Energieversorgung. Ansonsten
würdenVolumenströme und Rohrdimen-
sionen steigen, was den Betrieb verteure.
Eine Großstadt mit ausschließlich mehr-
geschossigen Gebäuden bietet sich also
seit zwei Jahren sehr gut läuft, steht in
Montabaur. Hier hat der Hausanbieter Huf
Haus ein Wohnquartier auf 4.291 Qua-
dratmetern mit 44 Wohnungen gebaut.
Die Flächen umfassen nach BGF 5.391
Quadratmeter und nach BRI 14.941,52
Kubikmeter. Zentrum ist ein 500 Ku-
bikmeter fassender Eisspeicher, an den
mehrere Wärmepumpeneinheiten ange-
schlossen sind. Absorberflächen auf den
Pultdächern der Gebäude sorgen für die
Regeneration. Dafür wird im Sommer
auch die Wärme in den Wohnungen ge-
nutzt, was wiederum zu einer sehr kosten-
günstigen Kühlung führt.
„InMontabaur wurden zudemdie Ab-
sorber mit Photovoltaik kombiniert“, so
Heiko Lüdemann vom Hersteller Viess-
mann Eis-Energiespeicher GmbH. Dabei
wurde lediglich eine Aufständerung ver-
wendet, und der eigenerzeugte Stromkön-
ne dieWärmepumpe gleichmitversorgen.
Verglichen mit einer konventionellen Lö-
nicht an. Ein kaltes Wärmenetz kann aber
da genutzt werden, wo durch Dämmmaß-
nahmen der Wärmebedarf ohnehin nicht
mehr sehr groß ist oder Solarthermie mit
genutzt werden soll.
Die Lösung hat neben den energe-
tischen auch einige handfeste finanzielle
Vorteile. Würde jedes einzelne Objekt an
einem Wärmenetz individuell mit Erd-
wärmepumpen versorgt und mit den da-
zugehörigen Bohrungen erschlossen, läge
der finanzielle Aufwand lautWestermaiers
Schätzungen beim Vier- bis Fünffachen.
Gegenüber der durchaus standard-
mäßigen Lösung Gas-Brennwertkessel
punktet das Netz gerade imNeubau. Denn
insbesondere in mittleren Städten, die so-
wieso eine geringere Anschlussdichte so-
wie aufgrund des modernen Baukörpers
einen niedrigen Wärmebedarf haben,
werden kaum noch Gasleitungen verlegt.
Das kalte Wärmenetz kann dort mit den
anderen Infrastrukturmaßnahmen wie
Telekommunikation, StromundAbwasser
installiert werden.
Auch verglichen mit einem reinen
Blockheizkraftwerk (BHKW), das zu-
mindest noch einen Teil des Strombedarfs
der Immobilie decken kann, hat das kalte
Wärmenetz investiv gesehen deutliche
Vorteile. Zudem ist es, im Gegensatz zu
BHKW, fast wartungsfrei und nicht an
Mindestlaufzeiten gebunden.
Auch die nächste Technologie ist
wärmepumpengestützt und schöpft ihre
Energie aus einemungewöhnlichenMedi-
um – Eis! In Deutschland wurden bereits
2.000 Anlagen, die zum einen die von der
Wärmepumpe erzeugte Energie und zum
anderen die frei werdende Kristallisations-
energie des Übergangs von Wasser zu Eis
nutzen, installiert. Die Erfahrungen sind
dabei recht vielfältig (siehe auch „Eisspei-
cher: Unterschiedliche Erfahrungen mit
innovativer Technologie“,
immobilien).
Eine dieser Lösungen, die aber schon