Immobilienwirtschaft 10/2018 - page 106

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
BUILDING INFORMATION MODELING
sehr hohen Entwicklungsaufwand. Nur
wenige international tätige Softwarehäu-
ser könnten diesen wohl erbringen. Doch
selbst sie könnten die unterschiedlichsten
nationalen Belange kaum alle umfassend
berücksichtigen.
Bemerkenswert ist dennoch in diesem
Zusammenhang, dass Oracle – ein inter-
nationaler Primus für Datenbanktechno-
logie und ERP-Systeme – den Spezialisten
für Baumanagementlösungen Aconex
übernommen hat. Denn bei Letzterem
stehen bereits gut integrierte Prozesse im
Mittelpunkt. So ist etwa ein BIM-Viewer
vorhanden. Doch selbst in diesen müssen
die CAD-Daten noch nach wie vor per
Schnittstellen aus Fremdsystemen über-
nommen werden.
Für eine sinnvolle Kostenplanung im
BIM-Modell gibt es aktuell unterschied-
liche Ansätze. Die HPP Architekten
in Düsseldorf etwa bereiten die CAD-
Planungen in Autodesk Revit zu objekt­
orientierten Modellen auf. Hierbei stehen
zu einemsehr frühen Zeitpunkt belastbare
Kostendaten zur Verfügung. Der Aufbau
solch eigener Rezepturen ist allerdings ein
erheblicher Aufwand für ein einzelnes Pla-
nungsbüro. Doch da die Kostenplanung
zu den Grundleistungen der „Honorar-
ordnung für Architekten und Ingenieure“
(HOAI) gehört, kann für diesenMehrauf-
wand aktuell keine zusätzliche Vergütung
gefordert werden. Immerhin finden sich
seit 1. Januar 2018 erstmals in den §§ 650p
bis 650t BGB neue Regelungen zu Pflich-
ten und Vergütung.
Einen anderen Ansatz verfolgt die
BIB GmbH aus Offenburg. Ihre Software
BIM
4You ermittelt mit Hilfe schlanker
3D-Modelle Kosten und Mengen. Dazu
wird das 3D-Modell in der CAD-Software
im IFC-Standard (offenes Format) expor-
tiert, in die Software eingelesen und an-
schließend mit Bau- oder BIM-Objekten
(BOBs) für den Roh- und Ausbau bemus­
tert. Nach abschließender Berechnung ste-
hen neben Leistungsverzeichnissen (5D)
und Raumbüchern verschiedene weitere
Auswertungsmöglichkeiten bereit.
Einen durchgängigen Lösungsansatz
für „Planen, Bauen, Betreiben“ verfolgt
die Stuttgarter RIB Software SE. Aber
auch RIB differenziert zwischen der CAD-
Fachplanung im Hochbau, Tiefbau, TGA
und anderen Bereichen. Doch sie führt
deren Ergebnisse zu einem5D-Modell zu-
sammen. Darin werden weitere Mengen-,
Qualitäten-, Zeit- und Kosteninformati-
onen aufbereitet undmit einemModul für
Instandhaltung und Betrieb ergänzt.
Vom digitalen Zwilling
der Immobilie sind wir
noch weit entfernt
Für einewirklicheffektiveBewirtschaf-
tung müsste das digitale Gebäudemodell
allerdings noch mit vielen weiteren Infor-
mationen angereichert werden. So sollten
etwa alle Änderungen im Lebenszyklus
der Immobilie darin aktualisiert und mit
einer entsprechenden Daten- und Pro-
zesslogik versehen werden. Die derzeitige
Markterfahrung ist allerdings, dass nicht
einmal die Aktualisierung des digitalen
Gebäudemodells wenigstens bis zur Fer-
tigstellung des Objektes gewährleistet ist.
Für die Gebäudebewirtschaftung bestehen
darüber hinaus eigene Lösungs
ansätze,
welche die Geometrie und Objekte aus
dem BIM-Modell durchaus nutzen. Auf
dieser Basis können etwa Hausverwal-
tung, Vertrags- und Asset Management
aufgebaut und die Bewirtschaftungskosten
auf Dauer gesenkt werden. Doch all die-
se Beispiele zeigen, dass der Weg von der
Fach- zur Kostenplanung bislang nur über
mehrereMedien undArbeitsschritte führt.
Die vom Bundesministerium für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur gesetzte
Verpflichtung, alle Projekte in seinem
Verantwortungsbereich ab 2020 mit BIM
zu planen, wird auch diesbezüglich noch
viele Fragen und Aufgaben offen lassen.
Denn ein Blick in den Landesbau zeigt
sehr unterschiedliche Stände. Die Span-
ne reicht von der Aussage „Unser CAD-
Verantwortlicher macht sich gerade Ge-
danken“ bis hin zum vom Landesbetrieb
Straßen, Brücken undGewässer Hamburg
bereits realisierten digitalen Abbild der
Stadt Hamburg für die Koordination aller
Tiefbaumaßnahmen unter Einbeziehung
aller Beteiligten und Berücksichtigung der
Zeitachse (BIM 4D).
Durchgängige Prozesse auf einer
durchgängigen Datenplattform über
den gesamten Lebenszyklus der Immo-
bilie existieren derzeit eher noch in den
Werbeaussagen der Softwareunterneh-
men denn in der Praxis. Erst eine weitere
Konsolidierung der Bausoftwarehersteller
wird wohl auf längere Sicht zu einer weite-
ren internationalen Standardisierung der
Technologien und Prozesse führen.
In derMarktwirklichkeit sind wir des-
halb vom digitalen Zwilling der Immobi-
lie derzeit noch weit entfernt. Allzu viele
Hersteller werden sich seine Entwicklung
nicht leisten können. Auf diese Weise
treibt die Digitalisierung der Bauindustrie
den laufenden Konzentrationsprozess
weiter voran. Das internationale Beispiel
von Oracle zeigt, dass dieser Prozess län-
derübergreifend im Gange ist. Auch die
RIB Software SE hat eine Partnerschaftmit
Microsoft gegründet, um eine weltweite
Cloud für die Bau- und Immobilienbran-
che zu schaffen. Die Vision des BIM ist die
durchgängige digitale Neugestaltung der
Prozesse von der Planung bis zumBetrieb.
Die Kunst dabei ist, das notwendige ra-
dikale Umdenken bei Geschäftsleitungen
und Mitarbeitern zu initiieren.
«
Rainer Trendelenburg, Freiburg
Rainer Tren-
delenburg
ist Dipl. Be-
triebswirt (FH)
und Geschäfts-
führer der wiko
Bausoftware
GmbH
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