Immobilienwirtschaft 6/2018 - page 36

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
Gewinn erhöhen, Architekten die Bauqualität verbessern und
Kommunen das Wohnungsangebot erweitern.
In Deutschland wird seit Jahren zu niedrig, zu schmal, zu
locker und insgesamt zu luftig gebaut. Das liegt imWesentlichen
an einem der einflussreichsten und zugleich irrsinnigsten Mani-
feste des 20. Jahrhunderts: der Charta von Athen. Diese Bibel des
modernen Städtebaus lag in den letzten 80 Jahren unter denKopf-
kissen von Generationen von Stadtplanern und bestimmt heute
noch das Aussehen der meisten Städte. Die autogerechte Satelli-
tenstadt imGrünen und Ruhe, Ruhe, Ruhe sind dieMaximen, die
alle anderen Bedürfnisse wie die nach urbaner Lebendigkeit oder
Nachhaltigkeit beiseiteschieben. Die Charta vonAthen ist verant-
wortlich für Landfraß, Vereinsamung, Lebenszeitverschwendung
in endlosenVerkehrsstaus und gähnend langweilige Stadtteilemit
unglücklichen Bewohnern.
Auch wenn bereits seit den 1970er Jahren die inhumane sche-
matische Rasterarchitektur durch Vertreter eines kontextuellen
Bauens kritisiert wurde, ist die Festsetzung einer möglichst nied-
rigen Dichte-Obergrenze bis heute wesentlicher Bestandteil fast
aller Bebauungspläne. Zusammen mit der erzwungenen Tren-
nung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit nährt die Charta von
Athen noch immer die Zombies des heutigen Städtebaus. Was
für ein Jammer.
Heute sprechen politische, ökonomische, ökologische und
soziale Aspekte für eine deutlich kompaktere Bauweise. Mit der
2007 angenommenen Leipzig-Charta fordern deshalb auch Politi-
D
er Saal ist proppenvoll. Die Stimmung eine Mischung aus
Klassenfahrt und Straßenkampf. Die Mieter des Beamten-
Wohnungs-Vereins zu Berlin eGdrängen sich imVersamm-
lungssaal amTheodor-Loos-Weg umdasModell des 20-geschos-
sigen Hochhauses. Das soll auf dem Grundstück ihrer bestehen-
den Parkgarage gebaut werden. Die belegten Brötchen sind lecker,
aber keiner der betroffenen Genossen kann dem preisgekrönten
zukünftigen Nachbarn etwas abgewinnen. Viele sind nach der
Fertigstellung der Gropiusstadt vor 50 Jahren hier eingezogen
und zusammen in Ruhe alt geworden. Die Häuser stehen weit
auseinander, mit viel Platz für gemähte Rasenflächen drumhe-
rum und einem verlassenen Spielplatz, dessen Nutzer bereits
seit Langem aus ihren kurzen Hosen herausgewachsen sind. Die
Anwesenden glauben nicht, dass es vor ihrer Haustür unbedingt
dichter zugehenmuss. Und das angekündigte Café, die Poststelle,
der Veranstaltungsraum, die Gartenküche und der neue Park für
Jung und Alt sind noch in weiter Ferne.
Die hier wohnen, sind gegen zusätzliche Nachbarn, Autos,
Lärmund Baustellen. Sie haben sich eingerichtet und wollen ihre
Ruhe. Genau wie sie es kennen. Wie hier in der Gropiusstadt läuft
es an vielen Stellen in der Republik.
Nachverdichtung ist das Thema der Stunde. Klingt wie eine
Mischung aus Packesel, Containerschiff und Mietskaserne und
lässt die Fronten aufeinanderprallen: Besitzer wollen ihre Grund-
stückswerte steigern, Genossenschaften zusätzliche Wohnungen
für ihreMitglieder bauen, Projektentwickler und Investoren ihren
Dichte
Foto: Dirk Weiß
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