 
          
            22
          
        
        
          POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL
        
        
          I
        
        
          
            DIGITALISIERUNG
          
        
        
          Der Mensch als „fleischgewordene“
        
        
          Innovationsbarriere
        
        
          
            E
          
        
        
          s sind bereits erste Trends zu erkennen,
        
        
          die kurzfristig allein in den Facility
        
        
          Services als Treiber einer Digitalisie-
        
        
          rung wirken werden: Mittels „Big Data“
        
        
          wird „Predictive Maintenance“ möglich.
        
        
          Damit könnten zum Beispiel verlässliche
        
        
          Voraussagen zu Ausfällen von Aufzügen
        
        
          und Rolltreppen gemacht werden. Nicht
        
        
          nur virtuelle Wohnungsbesichtigungen,
        
        
          sondern auch Instandhaltungsprozesse
        
        
          können bereits heute mittels VR-Brillen
        
        
          unterstützt werden. Durch neue Mög-
        
        
          lichkeiten einer miniaturisierten Sensorik
        
        
          wird darüber hinaus die Performance von
        
        
          Gebäuden besser verstanden, und es wer-
        
        
          den detailliertere Real-Time-Gebäude
        
        
          nutzungsanalysen möglich. Mit Spezial-
        
        
          kameras ausgestattete Drohnen könnten
        
        
          routinemäßig als Hilfsmittel bei Inspekti-
        
        
          onen auf Dächern eingesetzt werden und
        
        
          mobiler 3D-Druck ressourcenschonend
        
        
          Ersatzteile in Wartungsprozessen bereit-
        
        
          stellen. Aber das ist erst der Anfang.
        
        
          Nicht wenige Entscheider der Immo-
        
        
          bilienwirtschaft vermuten in der Digita-
        
        
          lisierung jedoch noch immer eine unbe-
        
        
          deutende Start-up-Szene, die sie kaum
        
        
          tangieren wird. Die Analysen – auch die
        
        
          der größten Berufsoptimisten der ein-
        
        
          schlägigen Verbände – unterstreichen
        
        
          jedoch allesamt, dass Deutschland mit
        
        
          der Digitalisierung der Wertschöpfungs-
        
        
          auch gleichzeitig die größte, hier „fleisch-
        
        
          gewordene“ Innovationsbarriere. Man-
        
        
          che der großen Beratungshäuser glauben
        
        
          zwar zu wissen, dass durch Industrie 4.0
        
        
          insgesamt mehr Jobs entstehen werden
        
        
          als verloren gehen. Es könnte jedoch
        
        
          sein, dass es vor allem eine auch für die
        
        
          Immobilienwirtschaft sehr schmerzhafte
        
        
          Umschichtung von Arbeitsinhalten geben
        
        
          wird, da nun völlig neue Kompetenzen
        
        
          gefragt sind. Dramatische Umwälzungen
        
        
          hat auch Richard David Precht in seiner
        
        
          Keynote auf dem FM-Nutzerkongress in
        
        
          Düsseldorf skizziert: Statt altbewährte
        
        
          Technologien und Services rund um die
        
        
          Immobilie „nur“ zu verbessern, werden
        
        
          diese samt der hierfür benötigten Kom-
        
        
          petenzen schlichtweg ersetzt.
        
        
          In einer ersten Welle werden eine
        
        
          Vielzahl von Kompetenzträgern in ad-
        
        
          ministrativen und juristischen Routine-
        
        
          bereichen beispielsweise in Beschaffung,
        
        
          Miet- und Vertragsmanagement, (Ob-
        
        
          jekt-)Buchhaltung, Berichtswesen, Ne-
        
        
          benkostenabrechnung oder Büro- und
        
        
          Schreibdienst betroffen sein und in einer
        
        
          zweiten Welle dann Help-Desk-Dienste
        
        
          und bislang personalintensive infrastruk-
        
        
          turelle Leistungen wie Reinigungs- und
        
        
          Sicherheitsdienste.
        
        
          Doch imGegensatz zu früheren Tech-
        
        
          nologiesprüngen, bei denen die Kompe-
        
        
          tenzen im Umgang mit neuen Technolo-
        
        
          gien durch entsprechende Kompetenz-
        
        
          entwicklungsmaßnahmen auf ein neues
        
        
          Niveau gebracht werden konnten, werden
        
        
          durch die anstehenden Entwicklungen
        
        
          sowohl gering- als auch hochqualifizierte
        
        
          Fachkräfte in der Immobilienwirtschaft
        
        
          schlicht nicht mehr benötigt werden.
        
        
          Wie die Kompetenzbedarfe und Archi-
        
        
          tekturen einer digitalisierten Wirtschaft
        
        
          genau aussehen werden, zeichnet sich
        
        
          insgesamt erst sehr schemenhaft ab. Aber
        
        
          gibt es einen vernünftigen Grund dafür,
        
        
          anzunehmen, dass ausgerechnet die Im-
        
        
          mobilienwirtschaft davon ausgenommen
        
        
          ketten nicht schnell genug vorankommt.
        
        
          Aus der Sicht der Innovationsforschung
        
        
          sind es insbesondere zwei Barrieren, die
        
        
          eine Entwicklung behindern: die fehlende
        
        
          Bereitschaft, eine wirklich radikale Trans-
        
        
          formation anzustoßen, und fehlende digi-
        
        
          tale Kompetenzen.
        
        
          Der Mensch muss mit in
        
        
          den Prozess einbezogen
        
        
          werden. Auch digitale
        
        
          Innovationen werden
        
        
          von Menschen gemacht!
        
        
          Wenn Einzelne sich – wie tatsächlich
        
        
          imRahmen einer Fachtagung zur Digitali-
        
        
          sierung der Immobilienwirtschaft gesche-
        
        
          hen – in der Diskussion damit beruhigen,
        
        
          sie hätten doch bereits eine erste Stufe der
        
        
          Digitalisierung erfolgreich gemeistert,
        
        
          wenn die Mitarbeiterin ihrem Chef die
        
        
          E-Mails nicht mehr ausgedruckt vorlegt,
        
        
          zeigt das ein Dilemma dieses tradierten
        
        
          Bereichs. Auch hier ist es der Mensch,
        
        
          der eher lieb gewordene Privilegien, Be-
        
        
          sitzstände, Budgets und sein veraltetes
        
        
          Kompetenzniveau zu schützen versucht,
        
        
          als Neues voranzutreiben. Unzweifelhaft
        
        
          wird die Digitalisierung auch die Ar-
        
        
          beitswelt rund um die Immobilie erheb-
        
        
          lich verändern. Und es bleibt uns nichts
        
        
          anderes übrig, als den Mensch mit in die
        
        
          Überlegungen einzubeziehen. Auch digi-
        
        
          tale Innovationen werden von Menschen
        
        
          gemacht!
        
        
          Nicht Algorithmen oder künstliche
        
        
          Intelligenz entwickeln geänderte Problem-
        
        
          lösungen oder neue Geschäftsmodelle, es
        
        
          sind auch in einer digitalisierten Welt im-
        
        
          mer nur Menschen die Enabler für Neues.
        
        
          Dabei ist es ganz menschlich, wenn einige
        
        
          den Vormarsch der Algorithmen auch als
        
        
          Bedrohung wahrnehmen. Die Menschen
        
        
          sind nämlich nicht nur Enabler, sondern
        
        
          
            Prof. Dr. Markus
          
        
        
          
            Thomzik,
          
        
        
          Westfälische Hoch-
        
        
          schule Gelsenkir-
        
        
          chen und IAI an
        
        
          der Ruhr-Universi-
        
        
          tät Bochum
        
        
          
            AUTOR