48
VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Präsentiert von:
Hubert Blank
Richter am Landgericht
Mannheim
Mietrecht
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Der Vermieter kündigte das mit
demMieterbestehendeMietverhältnisüber
eine Ein-Zimmer-Wohnung wegen Zah-
lungsverzugs fristlos. Daneben erklärte der
Vermieter „rein vorsorglichundhilfsweise“
eine ordentliche Kündigung zum nächst-
möglichen Zeitpunkt. Der Mieter hat den
Rückstand innerhalb der Schonfrist des §
569 Abs. 3 Nr. 2 BGB bezahlt. Das Amts-
gericht hat den Mieter zur Räumung und
Herausgabe der Wohnung verurteilt. Das
Landgericht wies die Räumungsklage ab.
ENTSCHEIDUNG:
Der BGH hob das Urteil
des Landgerichts auf. Der Vermieter bringt
mit demAusspruch der gestaffeltenKündi-
gung regelmäßig zum Ausdruck, dass die
Urteil des Monats
Grundsatzentscheidung zur gestaffelten Kündigung
Ein Vermieter, der eine fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs hilfsweise oder
vorsorglich mit einer ordentlichen Kündigung verknüpft, bringt bei der gebotenen Auslegung seiner Erklärungen zum Aus
druck, dass die ordentliche Kündigung in allen Fällen Wirkung entfalten soll, in denen die zunächst angestrebte sofortige
Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund einer Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fehlgeschlagen ist.
BGH, Urteil vom 19.09.2018 - VIII ZR 231/17
FAKTEN:
Die Parteien schlossen einen Mietvertrag über Gewerberäume zum Betrieb
einer Prägestelle für Kfz-Kennzeichen. Die nahe den Mieträumen gelegene Kfz-Zulas-
sungsstelle wurde später verlegt, der Mieter kündigte daraufhin. Der Vermieter klagte
dagegen. Das Gericht wies die Klage jedoch ab. Die Verlegung der Zulassungsstelle
stelle eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages dar.
FAZIT:
Zwar hat der Mieter grundsätzlich das Risiko für die mit einer günstigen Lage
verbundene Gewinnerwartung zu tragen. Jedoch soll eine Ausnahme gelten, wenn sich
aus dem Mietvertrag ergibt, dass auch der Vermieter ein eigenes unternehmerisches
Interesse an der mit dem Lagevorteil verbundenen Nutzung hat. Davon ist hier auszu-
gehen: Die ortsübliche Miete für Gewerberäume der fraglichen Art ohne besonderen
Lagevorteil liegt zwischen fünf und neun Euro. Der vereinbarte Mietpreis liegt mit
54,55 Euro wesentlich über diesem Wert. Insbesondere hieraus folgert das Gericht,
dass das Risiko eines nachträglichen Wegfalls der Nähe der Kfz-Zulassungsstelle dem
Risikobereich beider Parteien zuzurechnen ist.
GEWERBEMIETRECHT
Kündigung wegen Wegfalls
der Geschäftsgrundlage
Befinden sich die nach einer Aus
schreibung zu weit über dem orts
üblichen Preis zum Zwecke des
Betreibens einer Prägestelle für
Kfz-Kennzeichen vermieteten Räume
in der Nähe einer Kfz-Zulassungsstelle,
kann der Wegzug der Behörde zu
einer Störung der Geschäftsgrundlage
führen.
OLG Naumburg, Urteil vom 18.09.2017 - 1 U 82/17
anders: Mit der Zahlung des Rückstands
werde die fristlose Kündigung von Anfang
an unwirksam. Dies habe zur Folge, dass
imZeitpunkt des Zugangs der ordentlichen
Kündigung wieder ein Mietverhältnis vor-
liege, das im Wege der ordentlichen Kün-
digung beendet werde.
FAZIT:
Der BGHhat das Verfahren zurück-
verwiesen. Das Gericht müsse prüfen, ob
die hilfsweise erklärte ordentliche Kündi-
gung die Voraussetzungen des § 573 Abs.
1, 2Nr. 1BGB erfüllt und ob gegebenenfalls
der kurze Zeit nachZugang der Kündigung
erfolgte Ausgleich der Rückstände die Be-
rufung auf die ordentliche Kündigung als
treuwidrig erscheinen lässt.
ordentliche Kündigung auch dann zum
Zuge kommen soll, wenn die zunächst
wirksam erklärte fristlose Kündigung
aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen
Umstands gemäß §543 oder §569 BGB
(unverzügliche Aufrechnung bzw. Schon-
fristzahlung oder Verpflichtungserklärung
einer öffentlichen Stelle) nachträglich un-
wirksam wird. Eine hiervon abweichende
Auslegung der Kündigungserklärung
ist, so das Gericht, nur dann angezeigt,
wenn hierfür belastbare Anhaltspunkte
bestehen. Während das Berufungsgericht
meinte, nach dem Zugang der fristlosen
Kündigung sei das Mietverhältnis beendet
worden, sodass die ordentliche Kündigung
damit „ins Leere“ gehe, sieht es der BGH