Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 46

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EXPO REAL
2017
I
EUROPÄISCHER IMMOBILIENMARKT
wird, immer noch einmögliches Ergebnis
imMärz 2019 sein könnte, nimmt nun die
Wahrscheinlichkeit eines Kompromisses
(weicher Brexit) oder einer Verlängerung/
Übergangszeit (langer Brexit) zu. Es gibt
einige Hürden für diese Szenarien: Ein
Kompromiss bei der Austritts-Abrech-
nung und bei der Zuwanderungs-Kon-
trolle für EU-Bürger zur Erlangung eines
leichteren Handelszugangs zum Binnen-
markt war für einen großen Teil derjeni-
gen Wähler, die für einen Austritt stimm-
ten, inakzeptabel. Darüber hinaus würde
eine Verlängerung des Verhandlungs-
zeitraums die einstimmige Zustimmung
der EU27 und die Unterstützung eines
gespaltenen britischen Parlaments erfor-
dern. Dennoch erscheint ein Kompromiss
mittlerweile genauso wahrscheinlich wie
keine Einigung. In Szenarien wäre ein
weicher/langer Brexit mit einem höheren
prognostizierten durchschnittlichen BIP-
Wachstum für Großbritannien in den
nächsten fünf Jahren verbunden.
Eine bemerkenswerte Entwicklung
im Zusammenhang mit einem weichen,
langen Brexit wäre ein wahrscheinlicher
Kompromiss im Blick auf die EU-Zuwan-
derung und die Passporting-Rechte, was
beides bessere Aussichten für den Büroflä-
chenmarkt von London und insbesondere
für die City mit sich bringt. Wenngleich
ein Ungleichgewicht zwischen Nachfrage
und Angebot kurzfristig ein Risiko für
den Bürosektor bleibt, ist dieWahrschein-
lichkeit, dass London nach dem Brexit als
globales Finanzzentrumausgegrenzt wird,
erheblich geringer. Die Stärken dieses zu-
nehmend technologieorientierten Zen-
trums werden klarer hervortreten. Diese
Betrachtungsweise manifestiert sich zum
Beispiel in der Tatsache, dass der britische
REIT-Markt (und insbesondere die auf
London konzentrierten REITs) sich bis-
lang als bemerkenswert robust erwiesen
haben.
Nichtsdestotrotz könnte die derzeitige
politische Unsicherheit die kurzfristigen
Aussichten für einige Teile des britischen
Immobilienmarkts trüben, mit Nutzern,
die nur zögerlich langfristige Mietverträ-
ge zeichnen oder in neue, teurere Objekte
umziehen. Vermieter werden erneut unter
Druck geraten, Incentives für Mieter oder
flexible Mietvertrags-Bedingungen zu ge-
währen. Am stärksten betroffen sind Im-
mobilien, die kurzfristig leer stehen wer-
den, und solche, die einemerheblichen Ri-
siko der Überalterung ausgesetzt sind oder
deren Erträge in starkemZusammenhang
mit der kurzfristigen Konjunkturentwick-
lung stehen. Umgekehrt werden Immo-
bilien in DTU-reichen Lagen eine starke
Performance zeigen.
Um durch diesen möglichen Zeit-
raum eines geringen oder negativenMiet-
preiswachstums und größerer/längerer
Ausfälle am besten hindurchzusteuern,
empfehlen wir für Private-Equity-Immo-
bilien-Portfolios weiterhin, das Auslaufen
wichtiger Mietverträge von nun an bis zu
Ende 2019 auf ein Minimum zu redu-
zieren und schwache Mieter zu meiden.
Zweitklassige Assets sollten verkauft oder
deutlich vor dem Jahr 2019 als Core neu
positioniert werden.
Im Gegensatz zu den Nutzermärkten
sind die Auswirkungen auf die Kapital-
märkte diversifizierter. Einerseits werden
viele Investoren auf die politische und
konjunkturelle Unsicherheit reagieren,
indem sie ihren Fokus auf Spitzen-Im-
mobilien mit langfristigen Mietverträgen
verdoppeln. Insbesondere indexgebun-
dene Mietverträge sind vor dem Hinter-
grund einer währungsbedingten höheren
Inflation eine Option mit wenig Risiko.
Andererseits wird ein weicher oder lan-
ger Brexit die Entscheidung ausländischer
Investoren unterstützen, Großbritannien
und insbesondere London stärker zu ge-
wichten. Die Kursverluste des britischen
Pfundes direkt nach der Wahl machen
diese Strategie umso attraktiver.
Bislang könnten vorsichtige Investoren
einen weichen oder langen Brexit auch als
eher vereinbar mit dem längerfristig nied-
rigen Zinsumfeld sehen und wären somit
einmal mehr von den laufenden Erträgen
angezogen, die britische Immobilien und
private Immobilien-Darlehen zu bieten
haben. Dies könnte einen Anstieg des In-
vestitions-Volumens zur Folge haben, und
zwar amehesten in den stärkeren Sektoren
wie den angebotsschwachen Logistik- und
Wohnbausektoren (insbesondere der
Mietwohnungsbau profitiert von dem
neuen politischen Status quo). Regionale
Investitionen in Großbritannien könnten
ebenfalls zur rechten Zeit profitieren,
wenngleich einmal mehr konzentriert auf
Lagen, wo derzeit und künftig eine nach-
weisbareMieternachfrage herrscht, wie in
Manchester, Birmingham und Bristol.
«
Claus Thomas, Deutschlandchef LaSalle
Investment Management
Mittwoch, 4. Oktober 2017,
15:00 – 15:45 Uhr
Halle B1, Konferenzraum B13
Der Brexit und die Folgen
Wie wirkt sich der Brexit auf den
deutschen und Londoner Immobilien-
markt aus?
Teilnehmer:
Max Aengevelt
(Aengevelt Immobilien GmbH & Co. KG),
Alastair Hilton (Farebrother, London),
Tom Swanson (Farebrother, London)
Vortragssprache: Englisch
EXPO-DISKUSSION
Die gewichtete durchschnitt-
liche Spitzenrendite für alle
europäischen Märkte ist zur
Jahresmitte 2017 um fünf
Basispunkte auf 4,17 Prozent
zurückgegangen.
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17
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