Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 36

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EXPO REAL
2017
I
KONJUNKTURPOLITIK
bestimmt nicht als der Notenbankpräsi-
dent in die Geschichte eingehen, der die
Zinsen abgeschafft und die negativen Fol-
gen zu verantworten hat.
IMMOBILIEN WEITERHIN ATTRAKTIV
Für
die Anleger und speziell für die Immo-
bilienmärkte führt der sehr gemächliche
Einstieg in denAusstieg aus der extremex-
pansivenGeldpolitik nicht zu grundlegen-
den Veränderungen. Die Rendite zehn-
jähriger deutscher Staatsanleihen scheint
zwar in den letzten Monaten nachhaltig
den negativen Bereich verlassen zu haben,
wird aber nur langsam die Ein-Prozent-
Marke ansteuern und diese vermutlich
erst gegen Ende nächsten Jahres errei-
chen. Der Anlagenotstand privater und
institutioneller Investoren wird dadurch
bestenfalls geringfügig gemildert. Die Ri-
sikoprämien bei Immobilieninvestments
sinken etwas, bleiben aber inDeutschland
im langfristigen Vergleich auf sehr hohem
Niveau.
Gerade in den USA zeigt sich aber
mal wieder, wie begrenzt dieWirkung der
Geldpolitik auf das lange Ende der Zinsen
sein kann. Nach der Wahl von Präsident
Trump war die Verzinsung zehnjähriger
Treasuries kräftig auf bis zu 2,6 Prozent
G
emessen an historischen Maßstäben
befinden sich der Konjunkturzyklus
und der damit eng verbundene Im-
mobilienzyklus bereits in einer reifen Pha-
se. Kurzfristig scheint kein Ende absehbar.
Schon heute sind aber auf vielen Immobi-
lienmärkten zumindest in Teilsegmenten
Überbewertungen zu beobachten. Welche
Störung dann letztlich den Aufwärtstrend
stoppt und wann, lässt sich nicht vorher-
sagen. Steigende Zinsen könnten jedoch
eine prominente Rolle spielen.
KRITIK AN NULLZINSPOLITIK
Angesichts
des ordentlichen Wirtschaftswachstums
scheint eine fortgesetzte Nullzinspolitik
der EZB immer weniger gerechtfertigt.
Vor allem aus der boomenden deutschen
Volkswirtschaftwird immer wieder Kritik
an den Frankfurter Notenbankern geübt.
In diesem Zusammenhang wird gerne
daran erinnert, dass die US-Notenbank
schon nach demPlatzen der Dotcom-Bla-
se die Leitzinsen zu lange zu niedrig gehal-
ten hatte. Agieren also die Notenbanken
schon wieder „ohne Zins und Verstand“?
Ob EZB und Federal Reserve diesmal
„behind the curve“ sind, wird sich vermut-
lich erst in einigen Jahren zeigen. Zumin-
dest scheint sich nach der Fed nun auch
die EZB zu bewegen. Die US-Notenbank
hat schon Anfang 2014 begonnen, ihre
Anleihekäufe zurückzuführen, und Ende
2015 erstmals die Leitzinsen erhöht. Nach
inzwischen vier Leitzinserhöhungen steht
als nächster Schritt eine Änderung der
Wiederanlagepolitik an.
Die EZB ist noch nicht soweit. Immer-
hin hat Notenbank-Präsident Draghi in-
zwischen die zunehmende wirtschaftliche
Dynamik in der Eurozone zur Kenntnis
genommen. Zu Beginn des kommenden
Jahres dürfte die EZB das „Tapering“
starten, also ihre Anleihekäufe sukzessive
zurückfahren. Die erste Leitzinserhöhung
könnte 2019 anstehen. Denn dann läuft
MarioDraghis Amtszeit ab, und ermöchte
Ohne Zins und Verstand?
Zehn Jahre nach dem Beginn
der Finanzkrise befinden sich
die großen Notenbanken
mehr oder weniger noch im
Ausnahmezustand. Die Kon-
junktur ist hingegen wieder
im Aufwind. Fraglich ist
jedoch, ob die EZB und die
US-Notenbank mit Nullzinsen
und Anleiheankaufprogram-
men tatsächlich die Konjunk-
tur in nennenswertem Maße
angekurbelt haben, oder ob
nicht vielmehr andere Kräfte
wirkten.
Foto: Ewais/shutterstock.com
Mittwoch, 4. Oktober 2017,
14:00 – 14:50 Uhr
Expo Real Forum, Halle A2, Stand 540
Niedrigzinspolitik der EZB
Wie stabil und sinnvoll ist der Rahmen,
den die EZB mit ihrer Zinspolitik für die
Immobilienbranche geschaffen hat?
EXPO-DISKUSSION
Das EZB-Gebäude (hoch) steht
immer noch in Opposition zur
Zinspolitik, die aus ihm kommt.
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