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20 JAHRE SPEZIAL
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INSTRUMENTE UND RAHMENBEDINGUNGEN
„Die Einflussfaktoren durch Globalisierung, Regulatorik
und Digitalisierung werden immer komplexer.“
Norbert Kellner,
Head of Debt Capital Markets & Sales Management RE bei der Helaba
spezialisiert. Er rät seinen Kunden zur Immobilienfinanzierung
mit variabler Zinsbindung auf Basis des Drei-Monats-Euribor.
Seine Begründung: Man ermittle mit Hilfe eines von ihm ent-
wickelten mathematischen Modells den Zeitpunkt einer echten
Zinstrendwende. Der Kunde umgeht so die Hochzinsphase und
behält auf diese Weise optimale Sicherheit.
BANKENREGULIERUNG BEFEUERT NEUE ANBIETER UND PRODUKTE
Durch die anhaltende Regulierung ist Bewegung in denMarkt ge-
kommen. Viele Banken finanzieren derzeit vor allemMainstream
mit technisch leicht abbildbaren Kreditstrukturen. Kredite für
Objektemit hoher Komplexität, die einAbweichen von Standard-
prämissen in Bezug auf Markt, Standort oder Gebäudefaktoren
sowie hohe Beleihungsausläufe benötigen, haben es schwerer.
Erstmals haben daher auch andere Anbieter eine Chance, in
dieses bislang bankendominierte Segment vorzudringen. Und
so führen zunehmend andere Finanzquellen die Kunden an der
Bank vorbei.
Institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensions-
kassen bieten Immobilienfinanzierungen über Debt-Fonds an.
Sie können so auch für sich stabile und planbare Zahlungsströme
bei einem kalkulierbaren Risiko generieren. Parallel dazu kaufen
auch immer mehr Immobilieninvestorenmit eigenemGeld, statt
Zinsen an die Bank zu zahlen.
Immer mehr finanzieren sich große gewerbliche Player über
den Kapitalmarkt. Private Equity, Club Deals, Anleihen und
Schuldverschreibungen sind für sie keine Fremdworte mehr.
Auch die Themen Mezzanine-Finanzierung und Crowdfinan-
cing tretenmit der Digitalisierung und demGenerationenwechsel
mehr in den Vordergrund.
Derzeit sei die Stimmung amMarkt für gewerbliche Immobilien-
finanzierungen gedämpft, sagt Alexandra Kucera, Debt Advisory
JLL Germany. Doch richtig unwohl ist den klassischen Hypo-
thekenfinanzierern nicht wirklich. Wenn Anbieter gewerblicher
Finanzierung das Risiko weiterhin niedrig hielten und dabei ihre
Chancen nutzten, sehe er auch die Zukunft dieser Branche wei-
terhin sehr positiv, sagt etwa Gero Bergmann.
Warnende Stimmen gibt es allerdings auch. Sie kommen etwa
von Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Gewerbliche Immobilien-
finanzierung der Münchener Hypothekenbank eG: Die zuneh-
mende Wettbewerbsdynamik durch alternative Finanzierer lasse
sich nicht leugnen. Für ihn seien die neuen Finanzierer derzeit
aber eher komplementäre Ergänzung und wenigerWettbewerber
im großen Stil. Damit das so bleibe, so Annecke weiter, müssten
Banken beweglich bleiben und alle Aspekte von der Refinanzie-
rung über die Produkte bis hin zu den Prozessen stärker als in der
Vergangenheit einer ständigen Überprüfung unterziehen.
FAZIT:
Der Markt dürfte hart umkämpft bleiben, da schon die
nächsten Regulierungen drohen. Roman Herzog hatte besser als
mancher Ökonomund vieleWirtschaftsminister verstanden, dass
kein Staat die ökonomischen Kräfte ersetzen kann, die der Wett-
bewerb entfaltet, wenn man ihn – auf vernünftige Weise – lässt.
Das sollten die Beteiligten der Immobilienfinanzierung sich auch
zu Herzen nehmen, denn zukünftig wird es wohl kaummehr die
eine „Entweder-oder“-Strategie geben, sondern die Suche nach
einem optimalen Mix unterschiedlicher Finanzierungsinstru-
mente. Und dazu ist Zusammenarbeit nötig.
„Ich sehe die Zukunft der Branche positiv, wenn Anbieter
gewerblicher Finanzierung das Risiko niedrig halten.“
Gero Bergmann,
Vorstand der Berlin Hyp
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Beatrix Boutonnet, Rosenheim