85
9.2017
«
Gabriele Bobka, Bad Krozingen
D
ie Interessenverbände der Immobilienwirtschaft geben als
Spiegelbild der Fortentwicklung einer Branche im digitalen
Zeitalter einen guten Einblick in die Welt der Immobilien
aus vielerlei Sicht. Makler, Verwalter und Entwickler wie große
Immobilienkonzerne setzen auch auf politische Lobbyarbeit. Was
waren und sind die Highlights der Branchemit nachhaltigerWir-
kung auf die Märkte?
ZIA: SCHWERE GEBURT, ERFÜLLTES LEBEN
Die Idee, einen Zent-
ralverband zu schaffen, der die gesamte Immobilienwirtschaft
abbilden sollte und als solcher ein anerkannter Gesprächspartner
für den Bund sein sollte – und zwar für sämtliche Bereiche –,
war schon öfter geäußert worden. Soeben war DIFA-Chef Jür-
gen Ehrlich an der Idee gescheitert, eine Bündelungsinitiativemit
Vertretern von Wohn- und Gewerbeimmobilienwirtschaft auf
den Weg zu bringen. Eckart John von Freyend war im Jahr 2006
mit der Gründung des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA
glücklicher. Er spricht inzwischenmit seinen 240Mitgliedern für
etwa 37.000 Unternehmen (darunter 27 Verbände) der Branche.
„Wir sind als Unternehmer- und Verbändevertretung der
gesamten Immobilienwirtschaft die Stimme auf nationaler und
europäischer Ebene und im Bundesverband der deutschen In-
dustrie (BDI)“, so Präsident Andreas Mattner. Von Anfang an
sei das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder existenziell
wichtig gewesen.
Die Ziele ändern
sich kaum
Gegen Marktregulierung, für Förderung
von Wohneigentum und Digitalisierungs-
offensiven: Die Interessenverbände
waren und bleiben ein Spiegelbild der
Immobilienwirtschaft. (unsere Kooperations-
partner RICS und Deutscher Verband,
siehe Seite 90)
INTERESSENVERBÄNDE
»
FRICS, Leiter der dortigen Studiengänge Immobilienwirtschaft/
Versicherung/Finanzdienstleistung.
Inhaltlich ließ sich mit zunehmender Internationalisierung
und demZusammenwachsen von Immobilien- und Finanzmärk
ten ein Trend zur thematischen Orientierung der Ausbildungs-
inhalte am Lebenszyklus der Immobilie und der gesamtenWert-
schöpfungskette beobachten. Die dadurch entstehende Komple-
xität zog eine stärkere Spezialisierung und Interdisziplinarität der
Aus- und Weiterbildung nach sich, die auch in den kommenden
Jahren insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung zuneh-
men wird. Zahlreiche private Hochschulen ergänzen dabei das
Angebot der staatlichen Institutionen. Bedeutung gewinnt zudem
der enge Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, der
maßgeblich zur Innovationsfähigkeit der Immobilienbranche
beiträgt.
LERNEN 4.0 VERÄNDERT DIE BILDUNGSSTRUKTUREN
Das Prinzip
des „Lifelong Learning“ verdrängt auch in der immobilienwirt-
schaftlichen Aus- und Weiterbildung das „Lernen auf Vorrat“.
Damit verbunden ist die Notwendigkeit eines relativ offenen,
flexiblen und transparenten Systems mit vielfältigen Ein- und
Ausgängen, zahlreichenÜbergängen undVerbindungslinien und
einer hohen Durchlässigkeit. Das flexible Lernmanagement des
21. Jahrhunderts stellt dabei traditionelle, institutionalisierte Bil-
dungsformen gleichberechtigt neben informelle und individuelle
Lernprozesse.
Entscheidend wird weniger sein, auf welchem Wege man
Fähigkeiten und Qualifikationen erworben hat, sondern dass sie
erworben und zertifiziert wurden. Zertifikate dokumentieren im
Rahmen eines strukturierten Angebots erbrachte Leistungen,
berechtigen zum Zugang weiterer Bildungsgänge und tragen
zur Verwertbarkeit der Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt bei.
Zudem verschiebt sich die Art der benötigten Qualifikationen.
Projektorientiertes Arbeiten mit wechselnden markt- und situa-
tionsabhängigen Problem- und Aufgabenstellungen tritt in den
Vordergrund. Daher gewinnen neben fachlichenQualifikationen
soziale Kompetenzen weiter an Bedeutung.
„Dank neuer Technologien und mediendidaktischer Kon-
zepte kannman heute an jedemOrt mit Internetanschluss lernen.
Diese Veränderung ermöglicht es auch in der Bildung, den Trend
zur Individualisierung zu antizipieren. Damit rückt der einzelne
Kunde, seine Anforderungen und seine Zufriedenheit mit dem
Lernprozess, immer weiter in den Vordergrund“, sagt Klaus
Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender der EBZ Business School
in Bochum. Und er sagt noch etwas anderes: „Wir bilden heute
Menschen aus, die später mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in
Strukturen und Prozesslandschaften arbeiten werden, diemit der
heutigen Praxis kaum etwas zu tun haben. Wir müssen also viel
stärker eine Vordenkerrolle einnehmen.“