Immobilienwirtschaft 2/2017 - page 28

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
Gerade ist das allergrößte Neubauprojekt der Menschheit die
virtuelle Baustelle einer digitalen Welt, deren Ausmaße wir nur
erahnen können. Auf diesen für Außenstehende zumeist unsicht-
baren riesigen Plattformen wird nichts weniger gebaut als eine
gänzlich neueWelt, eine neue Art von Erde, die unsere bekannten
Straßen, Häuser, Dörfer, Städte zu antiken Stätten von morgen
werden lässt. Noch handelt es sich um eine digitale Parallelwelt.
Aber diese Terra incognita ist dabei, unsere alte analoge Mutter
Erde in sich aufzusaugen. In Kürze wird nur das für ausreichend
viele Menschen sichtbar sein, was in den neuen, digitalenWelten
existiert. Und in dieserWelt des Internets der Dinge geht es Apple,
Amazon, Facebook und Google um endlos viele Deals mit Pro-
duzenten, Händlern undKonsumenten. Mit ihrempunktgenauen
Wissen von uns Nutzern und ihren praktischen Angeboten ver-
führen, bezirzen und benebeln sie uns. Bis aus den fröhlichen
Nutzern einer bunten neuenWelt gläserne Konsumentenwerden.
Die Wächter vor den Toren der digitalen Stadt werden nur
diejenigen auf den digitalen Marktplatz lassen, die sich auf ihre
Preise und Regeln einlassen. Ich gehe davon aus, dass dadurch
nahezu alle bekannten Werte und tradierten Geschäftsmodelle
auf dem Prüfstand stehen und durch andere ersetzt werden.
Liberaldemokratische Politiker sind von den gesellschaft-
lichen Veränderungen selber betroffen und in eine Schockstarre
gefallen. Die nationalstaatlichen Kontrollgremien irren ahnungs-
und wirkungslos durch die neuen Welten. Die internationale
Staatengemeinschaft ist zurzeit von Auflösungserscheinungen
D
as Jahr 2016 war ein politisches Seuchenjahr. Das alarmie-
rende Gefühl, Zeuge einer Zeitenwende zu sein, bestimmt
auch den Anfang 2017. Und es bedarf schon einer satten
Portion Wintersonne, um die Zukunft hell und strahlend zu se-
hen. Was einmal war, wird nicht mehr sein. Im Taxi auf dem
Weg zum Flughafen von Barcelona brummt mir noch der Kopf
von der Silvesternacht, während mir Angelika aus dem Buch
„Onkel Oswald und der Sudan-Käfer“ von Roald Dahl vorliest.
Darin wird geschildert, wie ein supercleverer Hedonist und Le-
bemannmithilfe des mächtigsten Aphrodisiakums derWelt zum
Millionär wird. Eine amüsante Geschichte über Verführung, das
Versprechen von Stärke und Reichtum, Glamour, Manipulation,
Betrug, Genie, Lust und Potenz. Beim Blick aus dem fahrenden
Auto vorbei an den beleuchteten Schaufenstern der katalanischen
Metropole wird mir klar, dass diese leichtfüßige Geschichte auch
von unserer scheinbar unter Drogen stehenden Zeit erzählt.
DIE AUSWIRKUNGEN KÖNNTEN KAUM RADIKALER SEIN
Selbstdar-
stellung und Selbstinszenierung auf Instagram und Twitter sind
die Aphrodisiaka unserer Zeit. Gerade sitzen mir junge Reisende
imZug gegenüber und schauen konzentriert auf die Bildschirme
ihrer Handys. ImAustauschmit ihren Freunden vermutlich. Da-
bei könnte ich fast glauben, es ginge bei Instagram, Twitter und
Facebook nur umdrollige Emojis, musical.ly, aktualisierte Profil-
bilder, Freundinnen und Urlaubsfotos. Aber diesen staatenlosen,
unregulierten Riesenunternehmen geht es umviel dickere Fische.
Alles anders
Foto: Dirk Weiß
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