Immobilienwirtschaft 2/2017 - page 27

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2.2017
Möglichkeit einer dinglichen Sicherheit
zur Abdeckung von geplanten Ausfällen
(Alter) und von Restrisiken (etwa Aus­
fall des laufenden Einkommens auf­
grund von Arbeitslosigkeit) offenlassen.
Prolongierungen:
Die Prüfung von An­
schlussfinanzierungen sollte ohne die
Anwendung der neuen Regeln erfolgen.
Ältere Menschen:
Kredite für Reno­
vierungen oder Maßnahmen für einen
altengerechten Umbau sollten von den
restriktiven Regelungen der Rückzahlfä­
higkeit aus dem laufenden Einkommen
befreit werden. Das Gleiche gilt für Im­
mobilienverzehrkreditverträge.
Renovierungen und Sanierungen:
Ge­
nerell solltenDarlehen zur Finanzierung
von Renovierungen und Sanierungen
zwecks Werterhalt außen vor bleiben.
Bagatellgrenze:
Für Kleinkredite sollte
die Nichtanwendung der Neuregelung
möglich sein.
Mit Kabinettsbeschluss vom 21. De­
zember 2016 hat die Bundesregierung
in einem Gesetzentwurf zum Finanz­
aufsichtsrechtergänzungsgesetz (FinErg
Wohn) Immobilienverzehrkredite von
der Regelung ausgenommen. Außerdem
können Wertsteigerungen bei Krediten
für Bau- und Renovierungsmaßnahmen
berücksichtigt werden. Vorgesehen sind
auch Ausnahmen für Anschlussfinan­
zierungen. Rechtsverordnungen sollen
Leitlinien der Kreditprüfung vorgeben,
die unklare Rechtsbegriffe konkretisieren.
Während die Reformpunkte einige
zulässige Erleichterungen der EU-Richt­
linie nachholen, hat die Bundesregierung
im gleichen Gesetzentwurf neue, auf rein
nationaler Initiative beruhende Vorkeh­
rungen gegen eine drohende Immobilien­
blase formuliert. Ihre Aktivierung ist nur
im Krisenfall durch die Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht vorge­
sehen, deren Entscheidung auf Analysen
der Deutschen Bundesbank gestützt wird.
Entsprechend einem neu einzuführenden
§ 48u KWG sind folgende Maßnahmen
vorgesehen:
eine Obergrenze für das Verhältnis von
Darlehenshöhe und Immobilienwert
(Beleihungsgrenze);
die Vorgabe eines Zeitraums, in dem
ein Anteil der Immobilienfinanzierung
zurückgezahlt sein muss, alternativ
die Vorgabe einer maximalen Laufzeit
(Amortisationsanforderung);
die Vorgabe einer Obergrenze für die
gesamten Zins- und Tilgungsleistungen
aufgrund aller Darlehensverträge be­
zogen auf das verfügbare Einkommen
(Schuldendienstfähigkeit; Schulden­
dienstdeckungsgrad);
die Vorgabe einer Obergrenze für die
Gesamtverschuldung bezogen auf das
gesamte Einkommen in einembestimm­
ten Zeitraum (Gesamtverschuldung-
Einkommens-Relation).
WIRKSAMKEIT IST FRAGWÜRDIG
Da die
Maßnahmen erst nach der Feststellung
einer (drohenden) Überhitzung in Kraft
gesetzt werden, stellt sich die Frage der
Wirksamkeit als Instrument zur Fi­
nanzmarktstabilität. Eine zeitverzögerte
Datenerfassung und -bewertung, nicht
berücksichtigte Daten aus anderen Mit­
gliedsstaaten und die ausschließliche Er­
fassung von Neuverträgen lassen diese
fragwürdig erscheinen. Der Regionalität
von Blasen wird nicht Rechnung getra­
gen. Es fehlen genaue Aufgriffsnormen
zum Tätigwerden der Bafin. Zudem wer­
den Stundungen, Ratenanpassungen und
Laufzeitverlängerungen ausgeschlossen.
Weiterhin wird die Gesamtsicht des Kre­
ditnahmepotenzials einesHaushalts unzu­
reichend berücksichtigt. Die Vermögens­
lage, bereits bestehende Verpflichtungen
und das Konsumverhalten bleiben bei der
Kreditprüfung außen vor.
Fazit: Der Entwurf zum FinErg Wohn
berücksichtigt zwar einige Kritikpunkte,
beinhaltet aber weitere Eingriffe in Ver­
tragsfreiheit undMarktsteuerung. Anders
ausgedrückt: Die deutsche Politik wird
zum Handlanger einer Zentralbank, die
mit der Verbilligung des Kreditzugangs
der Krisenstaaten ihre Kompetenzen
überschreitet.
SUMMARY
»
Die derzeitige
Geldpolitik der Europäischen Zentralbank
beinhaltet erhebliche Risiken für den Finanz- und Immobiliensektor.
Um dem entgegenzuwirken, wurden Folgeinterventionen wie die
EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WKR)
für notwendig befunden.
»
Die
WKR wurde jedoch überaus restriktiv in deutsches Recht umgesetzt.
»
Sowohl seitens der Immobilienwirtschaft als auch der Kreditinstitute und des
Bundesverbandes der Verbraucherzentralen werden deshalb eine
Gesetzesänderung und eine Ausschöpfung möglicher Spielräume gefordert.
«
Prof. Dr. Dirk Meyer, Hamburg
Auf wackeligen Füßen:
Neue Regelungen zur
Immobilienfinanzierung
haben einiges durch-
einandergewirbelt.
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